In Deutschland schritten die Unternehmen erstmals 2008 zu Probebohrungen für die „unkonventionelle Erdgasförderung“. Seit 2005 sind bisher 19 Genehmigungen erteilt worden, bevor die Gefahren der neuen Förderpraktik überhaupt untersucht wurden. Inzwischen sind die Folgen hinlänglich bekannt: So listete etwa Spiegel Online die zum Teil hochgiftigen Stoffe auf, die Exxon bei einer Probebohrung im niedersächsischen Damme über einen Kilometer tief in die Erde presste – darunter zum Beispiel Tetramethylammoniumchlorid, das bei Aufnahme durch das Trinkwasser ab einer bestimmten Dosis tödlich ist. Ebenfalls dabei: Das stark gewässerschädigende Octylphenol Ethoxylate.
Systematische Brunnenvergiftung
Insgesamt presste Exxon demnach im Oktober 2008 circa 24.000 Liter Chemikalien in den Boden. Die chemischen Substanzen dienen unter anderem dazu, die Wirkung des Wasserdrucks zu optimieren. Außerdem töten die Substanzen Mikroorganismen wie Algen ab, damit sich die durch den Frack-Vorgang verursachten Risse im Gestein nicht wieder zusetzen – das Gas soll schließlich kontinuierlich entweichen können. Bis zu zwei Drittel der toxischen Substanzen verbleibt dauerhaft in der Erde und kann nicht wieder abgepumpt werden. Dies gefährdet in erheblichem Maße die Qualität des Grundwassers, insbesondere wenn Gas und Grundwasser nahe beieinander liegen.
Witten: Besorgte Anwohnende
In Nordrhein-Westfalen soll nun etwa die Hälfte der Fläche des Bundeslands auf Erdgaslagerstätten in einer Tiefe von 200 bis 2.600 Metern gescannt werden. Im Münsterland haben sich bereits mehrere Bürgerinitiativen gebildet. Auch im Ruhrgebiet soll demnächst probegefrackt werden. So will die BASF-Tochter Wintershall möglicherweise schon diesen Sommer Probebohrungen in Witten durchführen. Doch es formiert sich Protest: Auf einer von den Wittener Grünen einberufenen Veranstaltung fanden sich am 2. März über 100 Menschen ein; Vertreter_innen des Energiekonzerns kamen dagegen nicht. Einhellig mahnten die besorgten Bürger_innen eine Beteiligung der Betroffenen am Verfahren an. „Ich fordere das Unternehmen Wintershall auf, sich der öffentlichen Debatte zu stellen“, sagt der grüne Kreistagsabgeordnete Ingmar Wichert. „Das durch das Fracking gefährdete Trinkwasser ist öffentliches Eigentum und muss von den Kommunen verteidigt werden“, so Ingmar Wichert weiter.
Perforiertes Paradies
Trotz der inzwischen bekannten Risiken ist die Methode in den USA bereits bei etwa 3.000 Bohrungen angewandt worden – und zwar dort, wo Öl oder Erdgas besonders tief oder unzugänglich ist. Um die störenden Gesteinsformationen aufzubrechen, werden Millionen Liter einer Mischung aus Wasser, Sand und Chemikalien mit hohem Druck in tiefe Erdschichten geleitet. Inzwischen wird ein Großteil der US-Gasförderung so bestritten. Dabei werden ganze Landstriche durch Tiefbohrungen regelrecht perforiert, etwa in New Mexico. Nicht selten hinterlassen die rasch durchs Land ziehenden Fracking-Karawanen eine tiefe Spur ökologischer Folgeschäden. So stellte der amerikanische Regisseur Josh Fox 2010 in seinem Oscar-nominierten Dokumentarfilm „Gasland“ die für Mensch und Natur fatalen Folgen des Fracking dar: Ganze Landstriche haben sich in Förderturm-Wälder verwandelt. Aus einem Fluss brodelt unkontrolliert freigesetztes Methangas. Ungenießbares Trinkwasser muss durch Tankwagenlieferungen von Frischwasser ersetzt werden.
„Kontrollierte Erdbeben“
Auch in Deutschland werden die kritischen Stimmen lauter. So bezeichnete der Spiegel das Fracking-Verfahren als bewusste Verursachung eines „kontrollierten Erbebens“ durch die mit Hochdruck ins Gestein geleiteten Wassermassen. Gerade in tektonisch instabilen Gebieten wie der ehemaligen Bergbauregion Ruhrgebiet lauert dabei stets die Gefahr, dass die Gesteinsschichten unkontrolliert in Bewegung geraten. So wurde am 8. Dezember 2008 in der deutsch-schweizerischen Grenzregion Basel ein Erdbeben der Stärke 3,4 auf der Richterskala höchstwahrscheinlich durch eine Geothermie-Bohrung ausgelöst. Zudem seien „unkontrollierte Gasaustritte“ nicht ausgeschlossen, gibt Gelsenwasser-Sprecher Ulrich Peterwitz zu bedenken. In dichtbesiedelten Regionen wie dem Ruhrgebiet könnte das noch ernstere Folgen haben als in der Wüste von New Mexico.
Bundesratsinitiative
Expert_innen warnen: Gerade im südlichen Ruhrgebiet sei die Gefahr größer als anderswo, dass kontaminiertes „Frack-Wasser“ in grundwasserführende Schichten eindringt. Denn die derzeit auf Gaseinschlüsse untersuchten Kohlenflöze in Witten und Umgebung lagern teils in Tiefen von weniger als 200 Metern. Um eine Beteiligung der Öffentlichkeit künftig zur Pflichtauflage zu machen, bereitet die grüne NRW-Landtagsfraktion derzeit eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Bergrechts vor, das teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert stammt. Künftig soll eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit entsprechender Büger_innenbeteiligung vor der Erteilung von Bohrgenehmigungen verpflichtend sein. Das ist die eine Seite. „Das allein reicht jedoch sicherlich nicht aus“, so Ingmar Wichert von den Wittener Grünen. „Parallel dazu muss Druck von der Straße aufgebaut werden, um die Konzerne in der Frage öffentlicher Partizipation zum Einlenken zu bringen.“
Weitere Infos:
Unabhängige Informationen zum Thema Fracking in Deutschland und der Welt
Trailer zum Dokumentarfilm „Gasland“ (USA 2010)
Monitor-Beitrag zum ‚Fracking‘ in Deutschland (18.11.2010)
Liste toxischer Fracking-Substanzen auf Spiegel-Online (5.11.2010)
Erdgasbohrungen in Arnsberg, Meschede, Sundern und Eslohe?
(www.ruhrbarone.de/der-ruhrpilot – ‚Umland‘, 9.3.2011)
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