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Veranstaltet wird die Debatte von der Fakultät für Ostasienwissenschaften. „Wir wollen eine Diskussion über die Person Liu Xiaobo und seinen Preis, die über das hinausgeht, was bisher in der Medienlandschaft zu bekommen war“, fasst mit Robert Pauls einer der Referenten das Ziel der Veranstaltung zusammen, an der unter anderem der chinesische Journalist Shi Ming teilnehmen wird. Eine reflektierte Auseinandersetzung ist angebracht: Die Vergabe des Nobelpreises an den Kulturwissenschaftler aus der Provinz Jilin wirft einige Fragen auf.

Bürgerliche Demokratie für China

Liu Xiaobo ist kein Friedensaktivist. Der Schwerpunkt seiner politisch-publizistischen Aktivitäten liegt auf der Forderung nach freier Meinungsäußerung, einem Mehrparteiensystem, kurz: einer bürgerlichen Demokratie für China. Liu trat 1989 als ein Sprachrohr der Studierendenbewegung auf dem Tiananmen-Platz auf. Bis heute arbeitet er eng mit der Organisation „Mütter von Tiananmen“ zusammen. Mehrmals wurde er für sein bürgerrechtliches Engagement inhaftiert, zuletzt erhielt er im Jahr 2008 eine Gefängnisstrafe, die er bis heute absitzt. Immer wieder kritisiert der radikale Antitraditionalist Liu den chinesischen Patriotismus und dessen Instrumentalisierung durch die KPCh.

Linke Kritik

Während Lius gewaltloser Kampf für ein freies China weltweit Anerkennung findet, stößt die Vergabe des Nobelpreises besonders aus linker Perspektive auf Kritik. Die Instrumentalisierung des Nobelpreises für die politischen Ziele des „Westens“ sei unübersehbar, könnte man die linke Kritik an der Wahl zusammenfassen. Durch die Ehrung eines politischen Gefangenen solle der Druck auf China erhöht werden, in den schwelenden Handelsstreitigkeiten um den unterbewerteten Yuan den Forderungen aus Europa und den USA nachzugeben. Die Jubelarien des überwiegenden Teils der westlichen Presse passen durchaus ins Bild. Von einem Denkzettel für die chinesische Diktatur war dort zumeist die Rede. Die Westdeutsche Zeitung kommentierte sogar: „Die Entscheidung für […] Liu kann und darf nirgendwo auf Kritik stoßen. Außer bei einigen, allerdings sehr mächtigen chinesischen Betonköpfen.“

Kein Grund zum Jubeln

Die KPCh verurteilt die Entscheidung als Widerspruch zu den ursprünglichen Idealen des Friedensnobelpreises, die Alfred Nobel in seinem Testament als Einsatz für den Frieden zwischen den Staaten formuliert hat. Liu Xiaobo kritisiert die Diktatur der KPCh und fordert mehr individuelle Freiheit und Demokratie in China. Er steht damit kaum für eine (internationale) Friedensbewegung oder gar eine Forderung nach Abrüstung, sondern vor allem im fundamentalen Widerspruch zum Herrschaftsanspruch der Partei. Der Nobelpreis für Liu sei kein Statement für den Frieden, sondern gegen die KPCh: Der Nobelpreis wird als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas gewertet, die noch dazu einen rechtskräftig verurteilten Kriminellen ehrt. Den Treibstoff für die chinesische Medienoffensive gegen Liu und seinen Preis hat die Kommission in Oslo damit gleich mitgeliefert.

Stargast Shi Ming

Das Kritikverbot, das die Westdeutsche Zeitung formuliert, schließt sich allerdings aus. „Auch Liu Xiaobo selber ist eine durchaus widersprüchliche politische Gestalt. Diese Feststellung gehört ebenfalls zu einer reflektierten Auseinandersetzung mit dem Thema, die sonst meist zu kurz kommt“, beschreibt Robert Pauls einen weiteren Schwerpunkt der Podiumsdiskussion. Stargast der Debatte an der Ruhr-Uni ist Shi Ming, der als freier Jounrnalist vor allem ungewöhnlich tiefe Einblicke in aktuelle politische Entwicklungen in China geben kann. „Das ist eine Topbesetzung für dieses Podium“, kündigt Pauls an. Besonders Shis Kenntnis der Blogosphäre im Reich der Mitte verspricht interessante Diskussionsanstöße.

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