Emanzipatorisches Denken für alle!
Es sei sehr wichtig, dass der Protest gegen die Missstände im Bildungssystem, der sich zugleich gegen gesamtgesellschaftliche Defizite richtet, weitergeführt werde, heißt es im Aufruf des Protestkomitees gegen Studiengebühren an der Ruhr-Universität Bochum zu den Aktionen vom Mittwoch. Insbesondere will das Bündnis die Politik in die Pflicht nehmen, ihre bildungspoltischen Versprechen nach der Landtagswahl am 9. Mai nicht zu vergessen. Auf Schildern und Transparenten forderten die Schüler_innen und Studierenden unter anderem Lehrmittelfreiheit für alle, eine komplette staatliche Finanzierung des Bildungssystems und formulierten die Forderung „Wirtschaft raus aus der Bildung“.
Vorfreude auf gleiche Bildungschancen?
„Vor der Landtagswahl wollten die Protestierenden deutlich machen, dass sie nicht nur auf deren Ergebnisse hoffen, um die Forderungen des Bildungsstreiks durchzusetzen“, unterstreicht Denise Welz, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des AStA der RUB, das Hauptanliegen der demonstrierenden Studierenden. Die gegenwärtigen Oppositionsparteien seien ähnlich unzuverlässig wie die momentane Landesregierung, wenn es um die Bildungspolitik geht. Dies scheint nötiger denn je – zumal es beinahe zynisch erscheint, wenn die SPD im aktuellen Wahlkampf mit ihrem Slogan „Freude auf ein NRW ohne Studiengebühren“ punkten will, obwohl sie 2002/03 zusammen mit ihrem grünen Koalitionspartner Studiengebühren zu Lasten sogenannter Langzeitstudierender in Höhe von 650 Euro eingeführt hatte.
Bildungsstreik im Sommer
Es stellt sich außerdem die Frage, ob dieses Wahlversprechen der gegenwärtigen Studierendengeneration überhaupt zugute kommen wird, da die Gebühren erst 2013 abgeschafft werden sollen, wenn die SPD ihre bildungspolitischen Forderungen nach der NRW-Wahl umsetzen sollte. Das Bildungsstreik-Bündnis stellt sich daher darauf ein, dass es eines langen Atems bedarf, um die Landespolitik in die richtige Richtung zu lenken. Dies versucht derzeit ein Bündnis aus DGB-Jugend NRW sowie überregionalen Studierenden- und Schüler_innenvertretungen zu forcieren. Benjamin Bettinger von der AG Bildungsstreik an der Ruhr-Uni Bochum bewertet dieses Vorhaben jedoch skeptisch: „Kampagnen wie ‚Wähle deine Bildungsperspektive‘ suggerieren, dass man wirklich die Wahl habe, in welche Richtung die Politik steuern soll. Es ist jedoch höchst fragwürdig, ob dies wirklich so ist.“
Dennoch sei die bevorstehende NRW-Wahl realpolitisch betrachtet zweifellos wichtig, und daher sei es durchaus sinnvoll, vor den Wahlen bildungspolitische Aktionen zu machen, um eine Abschaffung des BA/MA-Systems sowie der Studiengebühren einzufordern. Dies soll vor allem eine Basis schaffen, um nach der NRW-Wahl die Forderungen glaubwürdiger vermitteln zu können. In jedem Fall werden die von den Veranstalter_innen positiv bewerteten Proteste auch nach der Wahl weitergehen: „Insgesamt ist durch unsere Aktionen deutlich geworden, dass sich die Studierenden nicht von den Parteien in die Irre führen lassen. Es war ein gelungener Auftakt für den Bildungsstreik-Sommer“, resümiert Denise Welz vom AStA der Ruhr-Uni.
Massive Polizeipräsenz und Spitzeleien
Lediglich der Umgang der Polizei mit den friedlichen Protestaktionen trübt die Bilanz: Obwohl keinerlei Anlass hierfür erkennbar war, wurde bereits vor Beginn des Demonstrationszugs am Bochumer Hauptbahnhof ein großes Polizeiaufgebot sowie ein Kamerawagen am Versammlungsort der Bildungsaktivist_innen aufgefahren. Auch machten die Veranstalter_innen gleich ein halbes Dutzend Zivilpolizist_innen aus, die nach Auflösung der Demo später nochmals auf dem Campus gesichtet wurden und dort offensichtlich das Studierendenhaus observierten. Es stellt sich die Frage, warum eine sich als demokratisch definierende Gesellschaft solche Spitzeleien nötig hat.
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