Bild:

Europa wächst zusammen – dies zumindest beschwören EU-Politiker_innen aller Couleur. Doch ist dieses Zusammenwachsen in vielen Bereichen eher ein Zusammenwuchern. Im Bildungsbereich streben die Regierungen seit 1999 gemeinsame Standards in 29 europäischen Ländern an. Die gestuften Studiengänge Bachelor und Master sollen das alte einstufige System mit Magister oder Diplom flächendeckend ablösen. Davon verspre chen sich die Verantwortli chen eine größere internationale Vergleichbarkeit der Abschlüsse. Bekannt geworden sind diese Reformen unter dem Namen „Bologna-Prozess“, benannt nach der – völkerrechtlich nicht bindenden – Erklärung von Bologna.

Gegen den Kreditpunkteterror

Die gewünschte Vereinheitlichung gestaltet sich jedoch auch zehn Jahre nach der Bologna-Konferenz schwierig und äußert sich für viele Studierende vor allem in erhöhtem Leistungsdruck und zusätzlicher Bürokratie. Durch die Umsetzung der Reformen kippt die eigentlich durchaus lobenswerte Intention einer internationalen Vergleichbarkeit von Studienleistungen in einen irrationalen Kreditpunkteterror à la Bolognese: Immer mehr Prüfungen sollen in immer kürzerer Regelstudienzeit absolviert werden – noch dazu häufig unter dem Druck von Studiengebühren.

Alternative Bildungskonzepte

Auch der Protest gegen die Auswüchse einer Verschulung und Ökonomisierung des Studiums kann jedoch effektiv internationalisiert werden – dies hat der Bildungsstreik im vergangenen Semester gezeigt: Ausgehend von der Uni Wien ist eine grenzüberschreitende Protestbewegung an den Hochschulen entstanden, die mit Hörsaalbesetzungen, Demonstrationen und anderen kreativen Protestformen auf viele bundesdeutsche Hochschulstandorte übersprang. Während der Bildungsstreik im Sommersemester bundesweit in die nächste Runde gehen soll, haben sich Aktive aus Bochum ein Projekt der besonderen Art vorgenommen: Den „European Education Congress 2010“ – einen europaweiten Bildungskongress, zu dem über 200 Teilnehmer_innen erwartet werden. Eine Woche lang soll Ende Mai an der Ruhr-Uni über die europäischen Bildungssysteme debattiert und an alternativen Bildungskonzepten gearbeitet werden. Studiengebühren und Bologna-Reform sind dabei nur ein Teil des Themas; noch wichtiger ist es den Organisator_innen, sich mit dem Zusammenhang zwischen Bildung und Gesellschaft zu beschäftigen – und zwar im internationalen Kontext.

„In den letzten Monaten ist es uns gelungen, Kontakte zu Studierenden- und Schüler_innen-Vertretungen in Spanien, Portugal, Frankreich, den Niederlanden und Dänemark aufzubauen“, berichtet Annika Klüh, Vorstandsmitglied des Vereins Bochumer Bildungschancen, der als offizieller Träger des Projekts firmiert und für die Finanzierung verantwortlich ist. Der Kongress werde sogar von der Europäischen Union mit knapp 25.000 Euro gefördert – hinzu kommen knapp 20.000 Euro, die hauptsächlich von verschiedenen ASten bundesweit beigesteuert werden. „Das klingt erst einmal nach einem riesigen Budget“, so Martin Ströhmeier, Finanzvorstand des Vereins. „Aber allein die Fahrtkosten für möglichst viele Teilnehmende aus ganz Europa zu finanzieren, verschlingt horrende Summen.“ Das habe sich schon beim ersten Vorbereitungstreffen abgezeichnet. Mitte Februar hat sich das internationale Koordinationsteam an der Université de la Sorbonne in Paris erstmals getroffen. Bis zum Kongress im Sommer werden sich die Aktiven außerdem in Wien sowie in Barcelona treffen.

Infos: www.educationcongress.eu

Der Kongress soll vom 26. bis 30. Mai (Pfingstwoche) in Bochum stattfinden. Wer Lust hat, die Veranstaltung mitzuorganisieren, kann sich direkt an die Veranstalter_innen wenden:

info@educationcongress. eu

 

0 comments

You must be logged in to post a comment.