Diese hat vergangenen Dienstag die Plakate des Bündnisses „Nazifrei! Dresden stellt sich quer“ beschlagnahmen und die Geschäftsstelle der Linkspartei in Dresden sowie die Geschäftsräume des antifaschistischen Versands „RedStuff“ in Berlin durchsuchen lassen. Angeblich sei die auf dem Plakat enthaltene Parole „Gemeinsam Blockieren“ ein strafbarer Aufruf zur „Versammlungssprengung“. Angesichts des breiten gesellschaftlichen Spektrums, das sich in dem Bündnis zusammengefunden hat, erscheint das von den ErmittlerInnen an die Wand gemalte Bild von versammlungssprengenden und gar gewalttätigen Horden jedoch als unbeholfener Rechtfertigungsversuch. Neben zahlreichen antifaschistischen Gruppen unterstützen unter anderem die Linkspartei, viele Verbände der Grünen, die Jusos und prominente Künstler wie zum Beispiel Bela B. von den Ärzten den zum inkriminierten Plakat gehörenden Aufruf zu Blockaden.

Entsprechend groß war das Entsetzen über das Vorgehen der Dresdner Staatsanwaltschaft nicht nur aus Kreisen von Linkspartei, Grünen und Gewerkschaften, die die Beschlagnahmung heftig kritisierten und dabei in den Medien breite Resonanz fanden. Praktische Solidarität wurde unmittelbar nach den Beschlagnahmungen in Berlin gezeigt, wo die Plakate öffentlich aufgehängt wurden. Der Staatsapparat zeigte sich auch hier wieder von seiner hässlichen Seite: Mehrere Jugendliche und eine Bundestagsabgeordnete der Linkspartei wurden wegen des Anbringens der Plakate festgenommen. Obwohl sich die Geschichte für die Dresdner Staatsanwälte mittlerweile zu einem Bumerang entwickelt hatte, legten sie am 21. Januar noch einmal nach und forderten den Internetprovider des „Nazifrei!“-Bündnisses auf, dessen Webseite wegen vermeintlich strafbarer Inhalte stillzulegen.

Bereinigte Erinnerung

Dass es gerade dieser Aufruf zum Blockieren eines Naziaufmarsches ist, der deutsche StaatsanwältInnen zu überschwenglichem Aktionismus antreibt, ist dem Stellenwert der Bombardierung Dresdens für das neue deutsche Selbstverständnis und der exponierten Stellung im hiesigen Erinnerungsdiskurs geschuldet. In Dresden seien es 1945 die Deutschen gewesen, die unschuldig zu zehntausenden Opfer von Kriegsverbrechen wurden. Die Bombardierung ist dabei einer der Grundsteine für eine Erzählung vom Nationalsozialismus, in dem ja alle nur Opfer gewesen seien und die so die Unterschiede zwischen Mördern und Ermordeten verwischt. Zwar beteuerten die VertreterInnen des offiziellen Deutschland auf den Gedenkveranstaltungen der letzten Jahre, dass man natürlich nicht Auschwitz mit Dresden aufwiegen könne und dies auch gar nicht wolle – praktisch ist es aber genau das, was passiert. Spätestens wenn die neue Geschichtserzählung in den Wohnzimmern und auf den Schulhöfen angekommen ist, dürfte an die Stelle des Bewusstseins von der Schuld der Deutschen an Weltkrieg und Holocaust ein Opferbrei getreten sein, vor dessen Hintergrund Vereinigungen von deutschen „Heimatvertriebenen“ Forderungen an Polen stellen und deutsche Außenminister mit der Begründung Krieg führen können, sie müssten in Serbien ein neues Auschwitz verhindern.

Bei dieser bereits unter der rot-grünen Bundesregierung forcierten  Konstruktion eines Geschichtsbilds, aus dem deutsche Verbrechen nicht mehr verdrängt, sondern durch das Gefühl, selbst auch Opfer und nicht Täter zu sein, quasi neutralisiert werden, will man sich nicht stören lassen. Zum einen nicht von Nazigruppen, die im Wesentlichen immer noch mit der Gräuelpropaganda des Nazi-Regimes dahergepoltert kommen und deren Aufmärsche man verbieten möchte. Zum anderen aber auch nicht von linken Bündnissen, die hin und wieder darauf hinweisen, dass es in Bezug auf die Entsorgung deutscher Schuld durchaus eine Schnittmenge zwischen dem offiziellen Dresden-Gedenken und dem der Nazis gibt.

Praktische Solidarität

Die Internetseite vom „Nazifrei!“-Bündnis ist mittlerweile übrigens ins Ausland ausgewichen. Dort findet man auch das Plakat als druckfähige Datei zum selber drucken und plakatieren. Gelegenheit dazu hat man zum Beispiel am 28. Januar. Dann sollen die Plakate in einer bundesweiten Aktion öffentlich plakatiert werden. Wer nicht selber drucken möchte, kann sich die Plakate in Bochum auch im Wahlkreisbüro von Sevim Dagdelen, MdB für die Linkspartei, in der Alleestraße 36 abholen. Weitere Ausgabestellen stehen auf
www.dresden-nazifrei.com.

0 comments

You must be logged in to post a comment.