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Mit dem Fall eines Mitarbeiters des Akademischen Förderungswerks, der jetzt vor dem Bochumer Arbeitsgericht verhandelt wurde, hat nun auch der Campus der Ruhr-Uni einen Bagatellkündigungsfall. Das ist zumindest die Position des Anwalts des Betroffenen, der seinen Mandaten zu Unrecht des widerrechtlichen Verzehrs von Pommes und zwei Frikadellen beschuldigt sieht. Die mediale Aufarbeitung konkreter Kündigungsfälle in der Öffentlichkeit ist dabei eine ziemlich schwierige und notwendig einseitige Geschichte: Während der/die Gekündigte seine/ihre Sicht der Dinge recht frei schildern kann, sind den Kündigenden weitgehend die Hände gebunden. Personalangelegenheiten haben aus Datenschutzgründen nichts in der Öffentlichkeit verloren, womit Geschäftsführungen ein weitgehendes Schweigen auferlegt ist.

Des Pudels Kern

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Viel spannender als die Auseinandersetzung darum, ob der konkrete Bulettenklau tatsächlich stattgefunden hat oder nicht, ist die Frage, warum er trotz seiner Geringwertigkeit auch nach Auffassung vieler Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter Anlass zum Rausschmiss bietet. So verteidigte kürzlich Ingrid Schmidt, Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, die Bestätigung solcher Kündigungen durch die Arbeitsgerichte und bezeichnete die Kritik daran als „völlig daneben“. Die Heftigkeit, mit der die Debatte bisweilen geführt wird, zeigt, dass sie einen elementaren Punkt tangiert, der jedoch nie explizit benannt wird. Es geht um die Klarstellung, dass jeder Vorgang in einem Unternehmen zwischen Dingen und Akteueren passiert, die vom Unternehmen eingekauft wurden und deren Produkte in der Folge eben auch dem Unternehmen gehören.

Meine Bulette, deine Bulette

Unternehmen kaufen auf dem Markt Rohmaterial, menschliche Arbeitskraft und noch einige andere Dinge ein und erwerben damit das Recht, sie nach ihrem eigenen Gutdünken einzusetzen und – da sie ja dafür bezahlt haben – alles, was am Ende herauskommt, zu behalten. Da vor allem die menschliche Arbeitskraft die wunderbare Eigenschaft hat, mehr zu produzieren als sie selbst kostet, ist die Frage des Eigentums ziemlich folgenreich für die Verteilung dessen, was am Ende eines Arbeitstages produziert wurde. Ob dieses Etwas nun in einer übrig gebliebenen Frikadelle, Metallschrott oder einem neuen Auto besteht, ist aus dieser Perspektive unwichtig. Die Aneignung auch nur eines Teils der Produkte stellt die Eigentumsverhältnisse und damit auch die Verteilung des „Mehrwerts“, den die Beschäftigen produziert haben, in Frage – weswegen jeder Diebstahl selbst dann rigoros sanktioniert wird, wenn er unbewusst erfolgt und eigentlich ganz harmlos ist.

Eigentum bleibt Eigentum

Die Bagatellkündigung mag auf den ersten Blick wie ein Akt gutsherrischer Willkür erscheinen – und womöglich ist sie von manch fiesem Chef auch so gemeint. Letztlich ist sie aber die Verteidigung der Spielregeln der Marktwirtschaft. Wenn man „Mensch ärgere dich nicht“ spielen will, darf man sich nicht beschweren, wenn man vom Feld geworfen wird. So mutet auch die Forderung der SPD, man solle Kündigungen wegen Diebstählen geringwertiger Dinge gesetzlich verbieten, ziemlich halbgar, dafür aber typisch sozialdemokratisch an: Die Gründe für die Misere will man zwar nicht beim Namen nennen, aber trotzdem etwas machen, was irgendwie nett aussieht. „Mensch ärgere dich nicht“ ohne Ärgern quasi. Dabei wäre es doch naheliegender, sich Gedanken darüber zu machen, was man ansonsten spielen könnte.

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