Bild:

So lautet eine Kernthese des DIW, „gebührenfreie Länder“ seien „doppelte Verlierer“: Diese mehr als gewagte Position wird mit Daten der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) untermauert, die untersucht hat, „ob StudienanfängerInnen der Medizin und Zahnmedizin Gebühren eher meiden und in gebührenfreien Ländern ihr Studium anfangen.“ Demzufolge ergibt sich bei angehenden Mediziner_innen in einem Gebührenland lediglich eine Senkung der Studienmotivation von ganzen zwei Prozent – 67 statt 69 von hundert (Zahn-)Medizin-Studis nehmen trotz Studiengebühren ein Studium in ihrem Heimatbundesland auf.

Wirtschaftslobby-Kurzschlüsse

Dieses fachspezifische Resultat zu verallgemeinern, wie es das DIW tut, ist allerdings mehr als fragwürdig – zumal die Finanzlage von Medizinstudierenden deutlich besser ist als von Studis anderer Fachbereiche. Hinzu kommen besondere Entscheidungskriterien hinsichtlich der Qualität des Studiums sowie besondere fachliche Spezialisierungsmöglichkeiten, welche gerade bei Studierenden der Medizin die Wahl des Studienorts maßgeblich beeinflussen. Methodisch äußerst fragwürdig ist zudem der Umstand, dass Abiturient_innen, die gebührenbedingt von der Aufnahme eines Studiums absehen, gar nicht erst in die Studie einbezogen wurden.
Auf in den Osten!

Von zentraler Bedeutung ist darüber hinaus der Umstand, dass lediglich das beste Fünftel der Schulabgänger_innen eine realistische Chance auf einen Studienplatz an ihrer Wunschhochschule hat. Spezifische Bedingungen aufgrund der dortigen Studienplatzzahl gibt es außerdem im gebührenfreien Osten. „Die These von gebührenfreien Ländern als doppelte Verlierer ist haltlos“, sagt ABS-Sprecher Alexander Lang. „Im Gegenteil: Diese Länder sind die Gewinner, weil sie auch Menschen mit sozial schwachem Hintergrund ein Studium ermöglichen“, so Lang weiter.

ABS fordert Richtigstellung

„Der Umgang des DIW mit dieser unspektakulären Studie ist pure Propaganda“, konstatiert Christina Schrandt, ebenfalls Sprecherin des Aktionsbündnis gegen Studiengebühren. „Die Befunde über Medizinstudierende werden einfach auf alle anderen ausgedehnt. Selbst DIW-Forscherin Katharina Wrohlich widerspricht im DIW-Wochenbericht den Schlussfolgerungen in der Presseveröffentlichung“, kritisiert Schrandt. Angesichts der eindeutigen Faktenlage fordert das ABS nun das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zur umgehenden Richtigstellung der Studienergebnisse auf.

Parteien sollen sich positionieren

Um das Problem Studiengebühren insbesondere mit Blick auf die Landtagswahl im Mai 2010 wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, plant das ABS derzeit eine verstärkte Anti-Gebührenkampagne durch Unterstützung von Protestaktionen insbesondere in NRW: „Wir wollen die politischen Parteien zur Positionierung zwingen“, pointiert Alexander Lang die aktuelle ABS-Strategie. Spannend dürfte hierbei vor allem die Frage sein, ob SPD und Grüne wieder in ihre überholten Positionen einer Wiedereinführung von Langzeitstudiengebühren beziehungsweise sogenannten Studienkonten zurückfallen werden, mit denen die rot-grüne Koalition in der letzten Legislaturperiode als Steigbügelhalter für den Einstieg in eine gebührenfinanzierte Hochschulbildung fungierte.

Bildungsstreik – bundesweit!

In NRW sollen im Rahmen des bundesweiten Bildungsstreik-Protesttags am 17. November in größeren Städten dezentrale Aktionen stattfinden. Für Bochum sind für diesen Tag eine größere Kundgebung sowie Straßentheater-Aktionen in Vorbereitung. Protest ist aus Sicht von Benjamin Bettinger, AStA-Referent für Hochschul- und Bildungspolitik an der Ruhr-Uni Bochum, nötiger denn je – „denn abgesehen von heißer Luft und leeren Worten ist seitens der Politik noch in keiner Weise auf unsere im Rahmen des Bildungsstreiks im Sommer diesen Jahres artikulierten Forderungen eingegangen worden. Umso wichtiger ist es, im Vorfeld der anstehenden hochschulpolitischen Großereignisse möglichst starke Protestakzente zu setzen“, sagt Bettinger.

Protesttermine

Für den 24.11. wird daher auch seitens des ABS zur kritischen Begleitung der Hochschulrektorenkonferenz nach Leipzig mobilisiert. In NRW sollen die für dieses Jahr noch geplanten Protestaktionen am 10. Dezember in Bonn im Umfeld der Kultusministerkonferenz kulminieren.

 

:bszinfo

Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren entstand 1999 als Protest gegen die mangelnde Entschlossenheit der damaligen Bundesregierung, das versprochene Studiengebührenverbot in die Tat umzusetzen. Heute kämpfen im Bündnis über 300 Organisationen für einen Hochschulzugang ohne finanzielle Hürden. Mehr unter www.abs-bund.de.

0 comments

You must be logged in to post a comment.