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Die Ruhr-Universität Bochum ist bekanntlich eine Universität, an der viele Studierende pendeln und neben dem Studium arbeiten müssen, was bedeutet, dass sie hohe zeitliche Belastungen und den entsprechenden Arbeitsaufwand für ihre Studiengänge mit der Sicherung ihrer Existenz unter einen Hut bringen müssen. Überdies kommen nun auch erschwerte Studienbedingungen durch Bachelor- und Mastervorgaben hinzu. Für viele ist es normal rund 40 bis 50 Stunden in der Woche für ihr reguläres Studienpensum ansetzen zu müssen, um danach in diversen Nebenjobs ihr Geld zu verdienen.
Verdammt: In zehn Minuten schlägt es Bachelor - Foto: chs
Fast alle Fakultäten, bis auf Rechtswissenschaft und Medizin, wurden an der RUB in den Jahren 2001 und 2002 auf Bachelor- und Master-Studiengänge umgestellt. Seitdem sehen sich Studierende und DozentInnen im Rahmen des Unialltags mit zahlreichen Stolpersteinen konfrontiert.

Europäischer Hochschultraum

Im Bachelor-Studium sollen die wichtigsten wissenschaftlichen Grundlagen, Methodenkompetenzen und auf das jeweilige Berufsfeld vorbereitende Qualifikationen vermittelt werden. Dabei ist es das Ziel, dass der Bachelor als ein erster berufsqualifizierender Hochschulabschluss anerkannt wird. Studierende und die von ihnen gemachten Abschlüsse sollen international vergleichbar sein, damit ein Berufseinstieg nach kurzer Zeit möglich wird und die jeweiligen Fachkräfte dem Markt möglichst früh zur Verfügung stehen.

Der größte Unterschied zu den alten Abschlüssen besteht darin, dass in den Bachelor- und Master-Studiengängen fast jede Leistung benotet wird und somit in die Gesamtnote beim Abschluss mit einfließt. Es entsteht zusätzlicher Leistungsdruck, der das Studium stressiger macht. Eine Art Orientierungsphase, wie bei den ehemaligen Diplomstudiengängen, entfällt beim Bachelorstudium. Die individuellen Interessen zu entwickeln und zu verfolgen ist im Studium mittlerweile zur luxuriösen Nebensache verkommen. Es geht nur noch um zu erarbeitende Credit Points, den dafür vorgesehenen Workload und von den Formalien geplagte Lehrende.

Der Zugang zum Masterstudium wird überdies häufig an den Nachweis bestimmter Qualifikationen hinsichtlich spezifischer Anforderungen des jeweiligen Studiengangs geknüpft und erschwert. Derartige Zugangsbeschränkungen bestehen zum einen aus speziellen Sprachkenntnissen, einem Aufnahmetest, einem guten Bachelorzeugnis oder Ähnlichem. Deswegen ist es wichtig, sich rechtzeitig über die jeweiligen Zugangsvoraussetzungen für ein Masterstudium zu informieren. Dies erfordert viel Eigenverantwortlichkeit und Nervenstärke von den Studierenden.

Auch wenn nun Leistungen zwischen europäischen StudentInnen einfacher verglichen und anerkannt werden können, bedeutet dies nicht, dass ein Auslandssemester besser integrierbar wäre. Denn durch den zeitlich und stofflich gestrafften Studienrahmen schaffen es nur die wenigsten, auch noch eine gewisse Zeit im Ausland zu verbringen. 90 Prozent sind außerdem auf finanzielle Unterstützung durch ihre Eltern angewiesen, um überhaupt ein Auslandssemester in Betracht ziehen zu können. Nur in wenigen, international ausgerichteten Studiengängen, wird für ein Auslandssemester bei der Studienplanung bewusst Zeit eingeplant.

Drei Viertel der BA-AbsolventInnen studieren nach ihrem ersten Abschluss direkt weiter. Das liegt auch darin begründet, dass viele Studierende befürchten, dass sie nach dem Bachelor im Berufsleben wie nach dem Abschluss einer Lehre eingesetzt werden und daher nur relativ wenig Verantwortung tragen werden. Darüber hinaus möchte man sich nicht mit einem geringen Gehalt oder der Position eines Angestellten ohne Leitungsfunktion abfinden, zumal der Bachelor-Abschluss häufig nicht gebührend anerkannt wird.

Belastungen sind gestiegen

Auch bei den psychologischen Beratungsstellen bemerkt man die Veränderungen: Sie verzeichnen 21 Prozent mehr Zuwachs als im Vorjahr, zumeist von StudentInnen, die sich mit den Anforderungen ihres Studiums überfordert fühlen und stellen fest, dass sowohl zeitlicher als auch psychischer Druck für Studierende deutlich angestiegen ist.

StudentInnen müssen und wollen besser auf verwirrende Übergangsphasen vorbereitet werden, indem man sie frühzeitig über abschlussrelevante Noten, Pflichtveranstaltungen, zu erbringende Sprachnachweise, Anmeldefristen und Zulassungsbeschränkungen für den Master aufklärt. Viele wünschen sich auch während des Studiums eine bessere Betreuung, um nicht den Neuerungen, die mit den Bachelor- und Master-Studiengängen hinzugekommen sind, zum Opfer zu fallen.

Studierst du noch oder funktionierst du schon?

StudentInnen, die das Unileben und das Studium als Ort zur Findung und Verwirklichung individueller Talente begreifen, werden nur noch milde belächelt. Man soll stattdessen dem globalisierten Arbeitsmarkt als zurechtstudierter Nachwuchs dienen. Damit sind viele jedoch nicht einverstanden und versuchen sich ihre Individualität im Studium über Nischen zurückzuerobern. Man wählt gegebenenfalls Seminare, die den eigenen Interessen entsprechen, und verlässt Kurse und Dozenten, die nicht den Erwartungen entsprechen.

Doch wer auf Bafög (29 Prozent) oder NRW-Bank-Darlehen angewiesen ist oder sich das Studium durch eigene Arbeit finanziert (13 Prozent der StudentInnen arbeiten mehr als 16 Stunden in der Woche), überlegt es sich dreimal, ob er oder sie eine Veranstaltung aus reinem Interesse besucht und sich so mit einem zusätzlichen Semester und den damit verbundenen Kosten und zeitlichen Verlusten belasten soll.

 

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