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2010Lab ist konzipiert als interaktive Homepage mit Videoclips und Berichten, auf der nicht nur über Kunst an sich, sondern auch über die ökonomische Bedeutung des kreativen Sektors für das Ballungsgebiet Ruhr diskutiert werden soll. So ein ambitioniertes Projekt braucht gute AutorInnen. Im Namen des Kulturhauptstadt-Chefs Fritz Pleitgen wurden daher freie KulturjournalistInnen, BloggerInnen und sogar international aktive Schreiberlinge eingeladen, um als „Scouts“ für 2010Lab zu arbeiten. „Das hörte sich erst einmal ganz toll an“, erzählt einer der eingeladenen Journalisten. Von Verträgen und Reputation war die Rede. Auf der vorbereitenden Konferenz kam allerdings die Ernüchterung: 150 Euro monatlich für vier bis sechs Beiträge könne die Ruhr.2010 GmbH zahlen, es sei eben Idealismus gefragt. Welche Auswirkungen das auf die journalistische Qualität hat, ist klar: Ordentlich recherchierte, gute Artikel kosten mehr. Wer sich trotzdem auf das Angebot einlässt, tut dies wahrscheinlich mit Zweit- oder Drittverwertungen und schlampigen Texten.  Schreibt nicht für 150 Euro im Monat: Ruhr.2010-Chef  Fritz Pleitgen  Foto: Nikolaj Beier

Zynismus

„Das Ganze ist Zynismus pur“, urteilt Stefan Laurin, Blogger bei Ruhrbarone.de und ebenfalls einer der Eingeladenen. „Die Ruhr.2010 GmbH freut sich, dass es ein paar arme Teufel gibt, die für diese Kohle arbeiten.“ Tatsächlich sind die „Scouts“ nur als journalistischer Bodensatz vorgesehen: „Für die weiterführenden, ausufernden, philosophischen, tiefsinnigen Texte hat die Ruhr.2010 gesondert Autoren angeheuert“, kommentiert einer der Organisatoren des Projekts in der Tat zynisch auf Ruhrbarone.de. Alle anderen müssen sich mit einem Hungerlohn zufriedengeben und hoffen, dass die Teilnahme – wie versprochen
– wenigstens Ansehen und Ehre bringt.

Geheimtipps zum Dumpingpreis

Laut den Plänen der MacherInnen haben die Scouts bei 2010Lab die Gelegenheit, KünstlerInnen und Projekte ins Licht der Öffentlichkeit zu bringen, die sonst keine Beachtung finden. Kulturelle Geheimtipps gegen Bezahlung vorstellen, das hört sich eigentlich gut an – zumal ja ohnehin die berechtigte Befürchtung herrscht, dass die Kulturhauptstadt an der kreativen Subkultur vorbeirauscht wie ein ICE an der S-Bahnhaltestelle Wattenscheid-Höntrop. Es ist allerdings symptomatisch, dass für diese Aufgabe erfahrene JournalistInnen für einen Dumpingpreis verpflichtet werden sollen. Wenn der Ruhr.2010 wirklich etwas an einer qualitativ hochwertigen Berichterstattung über versteckte Ruhrgebiets-Perlen liegt, dann muss sie dafür entsprechend bezahlen. Sonst wird auch 2010Lab als kulturelle Luftbuchung enden – wie so viele andere groß angekündigte Projekte.

 

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