Hinter der Gabelung, an der sich das Hotel Eden befindet, erstrecken sich die Ausläufer des Bochumer Rotlichtviertels, in dem billige Obenohne-Bars und Bordelle für die zahlungsbereiten Kunden offenstehen. Trostlose Existenzen fristen hier ihr Dasein – wie in jeder dieser Sackgassen moderner Großstädte. Das Hotel Eden aber wirkt gerade bei Nacht neben den rosarot strahlenden Amüsieretablissements wie die Erinnerung an eine harte Realität, der niemand entfliehen kann. Wohl ein kosmischer Zufall führte zu der – mittlerweile außerordentlich höhnischen – Namensgebung, die jeden Passanten zum Sinnieren zwingt. Denn während in „The Shining“ der Schrecken hinter der oberflächlichen Urlaubsidylle stattfindet, tendiert die scheußliche Fassade des Eden eher zum endzeitlichen Klischee: Fast jedes Fenster ist beschmiert oder eingeschmissen. Der für das Ruhrgebiet typische Beton, gelegentlich von einem verblichenen Hellgrün umrahmt, ist am vergammeln. Auf dem Boden des Foyers breitet sich hinter dreckigen Gardinen ein dicker Grasteppich aus. Das Muster der Tapeten wird von ungeheuren Mengen Schimmelpilz gebildet. Zudem sind überall auf dem Grundstück, drinnen und draußen, mehrere Haufen Schrott verteilt.

Tempel der Außenseiter

Nachdem das Hotel Eden 1958 errichtet wurde, erlebte es nur eine sehr kurze Phase gewöhnlichen Geschäftsbetriebes. Bereits in den Sechzigern bezahlten Prostituierte und ihre Freier die Zimmer im Stundentarif. Der jahrzehntlange schleichende Verfall schlug sich immer stärker in der Bausubstanz nieder. Von 1992 bis 1995 waren die bereits baufälligen Räume schließlich für AsylbewerberInnen gerade gut genug. Seitdem stand das Gebäude leer und wurde fast nur noch von Randgruppen auf illegale Art genutzt. Gerüchte besagen, Raver feierten des Öfteren ihre Exzesse dort. Auch Obdachlose schätzten anscheinend ein Dach über dem Kopf. Zuletzt 2001 sorgten 22 Studierende des Fachbereichs Design der Dortmunder Fachhochschule für Aufsehen: Unter dem Titel „Irritationen in Eden“ zeigten sie aufwändige Multimedia-Installationen in 14 Zimmern des Hauses. Aber auch heutzutage kann man im Vorbeigehen immer mal wieder das Werk von Freigeistern erkennen. Vergangenen Winter bedeckten Laken mit schreienden Fratzen und dunklen Gestalten die Glasflächen; die anklagenden Worte „Wer hört, wer sieht“ umrahmten sie. In den letzten Wochen hissten Unbekannte über dem Eingang eine große schwarze Flagge, ein Symbol des Anarchismus.

Müll statt Müll

Für gewöhnlich wird ein Denkmal vom Stararchitekten entworfen, vom Politiker ausgewählt und vom Feuilletonisten gefeiert. In der Rottstraße jedoch hat sich eine unangenehme Seite der Bochumer Stadtgeschichte auf unangepasste Weise manifestiert. Um diesen vermeintlichen Schandfleck im schändlichen Viertel endlich unter den Teppich zu kehren, ist die Stadt nun anscheinend auch gewillt, Hilfe von äußerst fragwürdiger Seite in Anspruch zu nehmen. Aber selbst wenn man der Meinung ist, die Zustände im Eden wären nicht zu dulden: Gibt es denn wirklich keine andere Möglichkeit, das geschichtsträchtige und repräsentative Grundstück zu nutzen? In den schrägen Gleichklang aus Pornokino und Sexshop würde sich eine Spielhölle leider nur zu perfekt einreihen.

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