Die Sitzplätze im viel zu kleinen Verhandlungssaal reichten bei weitem nicht aus, um die interessierte Öffentlichkeit aufzunehmen, die sich am Bochumer Amtsgericht eingefunden hatte. Bereits im Vorfeld des Prozesses hatte der verantwortliche bo-alternativ-Redakteur Martin Budich eine Welle der Solidarität erfahren, die von zahlreichen engagierten BasisaktivistInnen bis hin zu prominenten institutionellen RepräsentantInnen des öffentlichen Lebens getragen wurde. Neben einer schallenden Ohrfeige für die VerfasserInnen der völlig haltlosen Anklageschrift bedeutet der Ausgang des Prozesses somit auch einen großen politischen Erfolg der öffentlichen Forderung nach Freispruch für Martin Budich.
Breiter antifaschistischer Konsens
Wer der eigentliche Urheber jener von Richter Axel Deutscher als „Tortenman“ titulierten Abbildung der aus überwiegend jugendfreien Videospielen bekannten und beliebten „Bomberman“-Figur samt Torte war, spielte für den Ausgang der Verhandlung letztendlich keine Rolle mehr. Allein die Tatsache, dass das Motiv, so Martin Budich zuvor, „auf 30 oder 40 anderen Netzseiten“ gewesen sei, bevor es auf die bo-alternativ-Homepage gestellt wurde, dokumentiert die Willkür der Anklageerhebung gegen den Internet-Redakteur. Schon 2003 war das Online-Portal mit einem ähnlichen Verfahren überzogen worden. Auch die Tatsache, dass das Motiv zuvor hundertfach in der Innenstadt plakatiert und tausendfach als Aufkleber verbreitet worden war, spricht deutlich für eine willkürliche Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft. Diese erschien umso verwunderlicher, weil schon aus der Anklageschrift selbst klar hervorging, dass die Mobilisierung gegen den Aufmarsch der Neonazis im Oktober 2008 von einem ungewöhnlich breiten Bündnis mitgetragen wurde: Im Rahmen der Anit-Nazi-Aktionen forderten auch viele bürgerliche Institutionen ein sofortiges NPD-Verbot, und selbst politisch unverdächtige Institutionen wie die Bogestra solidarisierten sich mit dem Protest – sogar in den Bochumer Sparkassen lagen Anti-Nazi-Flyer aus.
Sieg der Meinungsfreiheit
Obwohl die Ausgangslage bereits nichts anderes mehr nahelegen konnte als einen lupenreinen Freispruch, schlug Richter Deutscher zunächst eine Einstellung des Verfahrens vor. Dies stieß nicht nur auf die Ablehnung von Verteidigerin Anne Meyer und ihres Mandanten. Auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft plädierte nun überraschenderweise auf Freispruch. Die Beweisaufnahme wurde daraufhin rasch ohne ZeugInnenbefragung geschlossen – offensichtlich, um weitere juristische Peinlichkeiten zu vermeiden. Dennoch ließ es sich Anne Meyer nicht nehmen, in einem umfangreichen Plädoyer die maßlose Unverhältnismäßigkeit der Anklageerhebung vor dem Hintergrund der deutschen Rechtsgeschichte offenzulegen. Somit wurde deutlich, dass der Freispruch von Martin Budich in seiner ganzen Tragweite zugleich einen Sieg der Meinungsfreiheit über repressive staatliche Willkür bedeutet.
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