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„Raus aus dem Elfenbeinturm, die Diskussion auf die Straße tragen – gut so, liebe Studenten! Offenbar lässt sich das Thema Bildung nur so ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken“, erklärte Tagesthemen-Kommentatorin Kristina Böker am Mittwoch Abend, nachdem die ersten acht Minuten der Sendung ausschließlich über den Bildungsstreik berichtet wurde. Das Lob mitten in der vielleicht ernstgenommensten Nachrichtensendung der Republik ist symptomatisch: So viel Sympathie quer durch die Medienlandschaft wehte bildungspolitischen Protestaktionen selten entgegen. An den Hauptaktionstagen verdrängten Berichte über Bachelor und Kopfnoten weltpolitisch zweifelsohne weit bedeutendere Meldungen wie den Aufstand im Iran von den Titelseiten. „Studenten verdienen mehr Gehör“, schreibt der Kölner Stadt-Anzeiger. Und selbst die Welt erkennt: „Bachelor-Studenten fehlt die Zeit für Praktika“. Klar, gegen Bildung kann ja niemand sein – ist die fehlende Prägnanz der Forderungen ein Grund für die Umarmung durch die Öffentlichkeit?

Bachelor-Absurditäten

Eine solche Kritik ist nur zum Teil plausibel. In Teilen mag der Forderungskatalog des Bildungsstreiks als eher diffus oder zu wenig grundsätzlich durchgehen. Aber es konnte immerhin erreicht werden, dass sich die BildungspolitikerInnen für die Absurditäten etwa der neuen, gestuften Studiengänge rechtfertigen mussten. Dass der Bachelor mehr Internationalität an die Unis bringen sollte, faktisch aber dazu führt, dass Studierende keine Zeit mehr für Auslandssemester haben, das konnte von den Verantwortlichen nicht mehr plausibel schön geredet werden. Und so versprachen die VertreterInnen der Kultusministerkonferenz in Berlin, man werde bei den Bachelor- und Masterstudiengängen nachbessern – und mussten doch am letzten Tag ihrer Berliner Tagung vor dem lautstarken studentischen Protest an einen unbekannten Ort fliehen.
Pressestelle RUB
Weiter geht’s!

Natürlich handelte es sich bei der angeblichen Nachbesserungs-Zusage, die von den Medien begierig aufgegriffen wurde, um eine völlig abstrakte und inhaltslose Geste. Es wäre naiv anzunehmen, das Wort der KultusministerInnen sei nun der zentrale Triumph der Protestierenden über die Politik des Bildungsabbaus. Aber: Dass wieder in aller Öffentlichkeit und kontrovers über die vor zehn Jahren angestoßenen neoliberalen Hochschulreformen diskutiert wird, diesen Erfolg können sich die Aktiven des Bildungsstreiks zu Recht ans Revers heften.

Noch vor 14 Tagen galt die Diskussion über den Bologna-Prozess als ein absolutes Minderheiten-Thema. Heute stehen die Probleme, die mit der Umsetzung einhergehen, wieder auf der Agenda. Natürlich bedarf es politischen Drucks, dass sie da bleiben. Aber auch das kann man positiv sehen: Um weiterhin den nötigen Druck zu erzeugen, gibt es schließlich noch genug Themen, die beim Bildungsstreik zu kurz gekommen sind – etwa die Debatte über Bildungsverknappung und soziale Ausgrenzung. Oder die steigende Abhängigkeit der Bildungseinrichtungen von privaten Drittmittelgebern. Oder die zunehmende Entdemokratisierung der universitären Entscheidungsstrukturen. Oder, oder, oder. In diesem Sinne: Weiter geht’s!

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