Hast du dich in der letzten Zeit mal in deinem Seminar umgeschaut? An den Gesichtern deiner Kommilitoninnen und Kommilitonen lässt sich einiges mehr über die Probleme an unserer Uni ablesen, als aus den alles andere als objektiven Umfragen von Spiegel oder Unicum.

Einmal mehr lässt du ein schlecht vorbereitetes Referat über dich ergehen. Deine KommilitonInnen sitzen genau wie du ihre Zeit ab, starren geistesabwesend aus dem Fenster oder lesen den Text für den nächsten Kurs, weil sie es vorher nicht geschafft haben. Die Augenränder des Typen, der gerade das Referat hält, erklären wortlos dessen schlechte Qualität. Es bleibt eben nicht viel Zeit, sich mit dem Referatsthema ernsthaft auseinanderzusetzen, wenn man gleich nach acht Stunden Uni durchfährt zur Nachtschicht im Nebenjob, um sich das Studium samt Studiengebühren auch leisten zu können. Eigentlich ist das aber auch egal, denn großes Interesse am Thema des Seminars zeigt hier kaum jemand – es geht ja auch nicht darum, irgendetwas zu lernen, es geht nur noch darum, sich in die Anwesenheitsliste einzutragen, um die vorgeschriebenen Module abzuhaken. Im Bachelor ist es eben nicht das wichtigste, sich mit Themen intensiv auseinanderzusetzen – die Jagd nach Creditpoints, das Erbringen von Leistungsnachweisen, das Aushalten von permanentem Zeit- und Leistungsdruck sind die relevanten Inhalte dieser Art des Studiums. Studieren im Jahr 2009 bedeutet deshalb für die meisten Studis vor allem Stress, Ärger und Langeweile.

Gemeinsam gegen die Misstände

Die strukturellen Probleme unserer Universität verstärken genau diese Situation, anstatt sie zu lösen: lange Warteschlangen vor den VSPL-Terminals, an denen man sich nie ganz sicher sein kann, ob man wirklich zum Kurs angemeldet wurde oder das Programm mal wieder abstürzt. Langwierige und unsinnige Anmeldeverfahren, Pflichtveranstaltungen und Klausuren, die selbstverständlich alle zum gleichen Termin stattfinden. Eine Uni, deren marode Bausubstanz seit 30 Jahren ihrem Schicksal überlassen wurde und nach dem Willen der meisten ProfessorInnen am besten komplett aus Studiengebühren saniert werden soll: Kaputte Stühle, zugige Seminarräume, Laboreinrichtungen aus einer Zeit, in der der Farbfilm noch nicht erfunden war – all das ist traurige Realität an der Ruhr-Universität, aber in ähnlicher Form auch an jeder anderen Hochschule der Bundesrepublik. Auch in anderen Bereichen des Bildungssystems setzt sich diese Situation nahtlos fort – in Kindertagesstätten ebenso wie in den Schulen und Berufsschulen, für SchülerInnen aller Schulformen genauso wie für die Auszubildenden in Betrieben.

Unis sozial öffnen

Der bundesweite Bildungsstreik 2009 bildet den Auftakt einer Kampagne von Studierenden, SchülerInnen, Auszubildenden, LehrerInnen, ProfessorInnen, Eltern und vielen anderen aus ganz Deutschland, die keine Lust mehr haben, diese Zustände hinzunehmen. Ab dem 15. Juni werden hunderttausende auf die Straße gehen, um sich zu wehren, um Forderungen durchzusetzen und Alternativen zur bestehenden Misere im deutschen Bildungssystem aufzuzeigen. In Bezug auf die Hochschulen haben wir viele Forderungen. Es geht um eine soziale Öffnung der Hochschulen durch den Abbau von Zulassungsbeschränkungen und die Abschaffung jeglicher Studiengebühren. Darum fordern wir gemeinsam mit unseren BündnispartnerInnen eine bessere finanzielle Ausstattung der Hochschulen durch die Landesregierungen und die Schaffung von wesentlich mehr Studienplätzen. Â

Wir wollen unsere Bildungsbiographien selbst bestimmen. Das Bachelor/Master-System muss sinnvoll umgestaltet werden. Es darf keine erneuten Zulassungsbeschränkungen zwischen den beiden Studienphasen geben. Wer Studierende nach dem Bachelor-Kurzstudium von weiterer Bildung ausschließen will, betreibt Bildungsverknappung. Die durch das neue System eingeführte Verschulung des Studiums durch Anwesenheitslisten und ständigen Klausurdruck muss abgeschafft werden. Studierende sollen endlich wieder wie erwachsene Menschen behandelt werden, die selbstbestimmt entscheiden können, welche Seminare sie besuchen und mit welchen Themen sie sich auseinandersetzen wollen.

Gremien-Missbrauch beenden

Wir wollen die Hochschule demokratisieren. Deswegen fordern wir, dass in allen Hochschulgremien die vier Statusgruppen (ProfessorInnen, wissenschaftliche MitarbeiterInnen, Studierende, MitarbeiterInnen in Technik und Verwaltung) gleichstark vertreten sind. Momentan haben ProfessorInnen überall die absolute Mehrheit und können alle anderen überstimmen. Die Vorkommnisse im Senat der RUB in den vergangenen Monaten und Jahren sprechen eine deutliche Sprache: Obwohl die Studierenden oftmals die sinnvolleren und besseren Argumente hatten – dies wurde mitunter sogar von den ProfessorInnen öffentlich bestätigt – wurden die Studierenden von ihnen immer wieder überstimmt. Die professorale Mehrheit im Senat der RUB hat bewiesen, dass sie nicht in der Lage ist, mit dieser strukturellen Mehrheit verantwortungsbewusst umzugehen und im Sinne aller Interessensgruppen zu entscheiden. Stattdessen verfolgt sie eine kurzsichtige Klientelpolitik und setzt die Interessen der ProfessorInnen gegen die restlichen Angehörigen der Universität durch. Um diesem Missbrauch Einhalt zu gebieten, ist eine Neuaufteilung der Mehrheiten im Senat der RUB dringend nötig.

Mitmachen, selber machen!

Hinter dem Bildungsstreik steckt sehr viel mehr als „einfach nur dagegen sein“. Es gibt viele Konzepte, Ideen und Alternativen zur derzeitigen Krise des Bildungssystems. Gemeinsam wollen wir unsere Lebens- und Arbeitssituation nachhaltig verbessern. Das ist nur möglich mit dem Rückhalt und der tatkräftigen Unterstützung von möglichst Vielen. Deshalb: Sei dabei und bring’ dich ein!

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