Am Mittwoch öffnet das Protestcamp. Die AnwohnerInnen sind neugierig auf die Demonstrierenden, die kommen. Glücklich sind jedoch diejenigen, die es überhaupt bis dorthin geschafft haben: Aus vielen Bussen und Zügen werden an den Grenzübergängen Einzelne aufgehalten. „Aus meinem Bus durften vier Leute nicht einreisen“, erzählt Marie aus Berlin. „Ich habe mich darüber geärgert, dass gar keine Begründung dafür gegeben wurde, weshalb die Leute nicht in die Stadt dürfen.“ Staatspräsident Sarkozy hatte schon im Vorfeld des Gipfels angekündigt, dass er keineN einzigeN DemonstrantIn zu Gesicht bekommen wolle. Dementsprechend groß war auch das Aufgebot von Polizei und Militär in Straßburg, Baden-Baden und Umgebung. Die Innenstädte wurden abgeriegelt, mehr als 30.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz, das Schengener Abkommen ab dem 20. März außer Kraft gesetzt, die Grenzkontrollen dauerten teils Stunden. Die Straßburger Behörden teilten dem internationalen Friedensbündnis eine Demonstrationsroute abseits der Innenstadt zu. Am Freitagabend haben trotzdem etwa 5.000 Menschen ihre Zelte im Camp aufgeschlagen. Einige müssen schon in wenigen Stunden wieder aufstehen. „Wir machen uns um vier Uhr morgens auf den Weg, um den Gipfel zu blockieren“, erzählt Mark aus Hamburg. Im Bündnis „Block NATO“ haben sich Gruppen aus verschiedenen Ländern zusammengefunden, um Aktionen des zivilen Ungehorsams zu organisieren. Tatsächlich schaffen es fast zweitausend von ihnen in die Innenstadt. Sie setzen sich auf die Straße und rufen „We are peaceful, what are you?“ – eine Frage, auf welche die Polizei meistens mit Tränengas antwortet. „Wir sind auf dem Weg mehrmals damit angegriffen worden. Ich war aber überrascht, dass wir es überhaupt bis zum Platz der Republik geschafft haben und unseren Protest ausdrücken konnten“, meint Mark später.

Viele Gründe, ein Ziel

„Nach der NATO-Sicherheitskonferenz im Februar in München war ich wütend“, erzählt Tatjana aus Berlin. „Das neue Strategiepapier der NATO sagt, dass es bei den Aufgaben der NATO auch um militärische Ressourcensicherung geht. Dafür werden Kriege geführt. Ich denke, dass wir nicht akzeptieren sollten, dass aufgrund der Verschwendung von Energie in den Industriestaaten militärische Interventionen durchgeführt werden.“ Laure wohnt in Straßburg und demonstriert vor allem deshalb, weil sie nicht will, dass vor ihrer Haustür Kriege geplant werden. „Die Leute hier sind unterschiedlich“, meint Caroline aus Lille. „Manche wollen radikalere Aktionen, andere wollen einfach nur auf die Demo gehen.“ Doch genau das erweist sich am Samstag als schwierig: Anders als von den Behörden versprochen wird die Europabrücke, die Frankreich und Deutschland verbindet, nicht für die Demonstration geöffnet. Mehr als 6.000 Menschen stehen auf der anderen Seite in Kehl, während die Polizei gegenüber den Platz der geplanten Auftaktkundgebung abriegelt und Tränengas und Schockgranaten in die Menge wirft. „Ein paar Leute haben eine Barrikade gebaut und angezündet. Die Polizei hat zugesehen, auf die Eskalation gewartet und am Ende mit Tränengas Panik verbreitet“, meint Mark. Die meisten TeilnehmerInnen sind am Ende etwas enttäuscht, sehen die Proteste aber trotzdem als Erfolg. „Wir haben gezeigt, dass wir viele sind und die Planung von Kriegen in unseren Städten nicht tolerieren – und dass wir es nicht tolerieren, wenn unser Recht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt wird“, sagt John vom britischen Antikriegsbündnis zum Abschluss des Gegengipfels.

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