Einerseits hatte anlässlich des Jahrestages des alliierten Bombenangriffs auf Dresden vom 13./14. Februar 1945 die rechtsradikale „Junge Landsmannschaft Ostpreußen“ zum „Trauermarsch“ aufgerufen. Laut Polizeiangaben kamen rund 6.000 Neonazis. Rechte versuchen seit Jahren, das Geschehene auf diese Weise als „Bomben-Holocaust“ darzustellen und gleichzeitig die deutsche Kriegsschuld zu negieren. Und so waren andererseits rund 12.000 GegendemonstrantInnen auf den Straßen, die dies weder dulden noch akzeptieren konnten. Neben einem reflektierten Gedenken der Opfer des Angriffes wurde so auch an die 5.000 Juden erinnert, die diesem ihr Leben verdanken, da sie so ihrer sicheren Deportation in Konzentrationslager entkamen.

Kein Raum für Nazis

Sowohl das Bündnis „Geh Denken“ aus DGB, „linken“ Parteien und parteiunabhängigen gesellschaftlichen Initiativen, als auch der Antifa-Zusammenschluss „No pasarán“ organisierten mehrere Demonstrationszüge, um mit ihrem Sternmarsch den Rechten so wenig Raum wie möglich zu geben. Dies gelang, und es war den rechten Geschichtsverdrehern nicht möglich, ihre Demonstrationsroute durchzuhalten. Bis auf wenige Zusammenstöße linker Autonomer mit der Staatsgewalt verlief die Demonstration weitgehend friedlich.

Konflikt im Teufelstal

Leider fand der Tag aber ein trauriges Ende. Die DemonstrantInnen waren teilweise von weither angereist und befanden sich bereits auf der Rückfahrt, als gegen 19:15 Uhr ein Bus der JungsozialistInnen aus NRW die Autobahnraststätte „Teufelstal“ bei Jena erreichte. Schon kurz nach dem Verlassen des Busses mussten diese feststellen, dass sich auch Rechte auf dem Rastplatz befanden; für ein Weiterfahren war es aber bereits zu spät. Bei vielen handelte es sich um sogenannte „Autonome Nationalisten“. Sie kleiden sich nach Art autonomer Linker und sind lediglich über Buttons und Aufnäher zu identifizieren. Zudem trafen kurz darauf zwei Busse mit Mitgliedern des DGB, der Linkspartei sowie SchülerInnen ein, was das Auseinanderhalten von „Rechten“ und „Linken“ zusätzlich erschwerte.

Glücklicherweise bewegte sich die erste rechte Gruppe sogleich in ihren Bus mit Essener Kennzeichen, der daraufhin die Raststätte verließ. Allerdings beleidigten sie vorher noch die draußen Stehenden mit dem „Hitlergruß“ und weiteren offensiven Gesten. Die schockierten GegnerInnen waren derart abgelenkt, dass sie gar nicht einen weiteren Bus mit ähnlicher Klientel und Kennzeichen aus Homburg (Saar) bemerkten, der kurz darauf ankam. Plötzlich fand man sich wieder umringt von schwarz gekleideten Nationalen, die die vorangegangen Beleidigungen noch verstärkten, Aussagen wie „Fuck Holocaust“ tätigten und sie mit Müll bewarfen. Die GegendemonstrantInnen blieben jedoch ruhig und ließen sich nicht provozieren.

Brutale Übergriffe

Trotzdem wurden kurz darauf drei Schüler aus Lüdenscheid angegriffen und zu Boden geworden. Während zwei der Angegriffenen recht schnell in den Bus fliehen konnten, wurde auf einen 18jährigen weiter eingetreten. Vier Personen traten dabei gezielt auf das Knie des Geschädigten ein, bis ein dreißigjähriger Kölner dazwischen ging und selbst Schläge ins Gesicht und auf den Hinterkopf einsteckte. Eine schwere Knieprellung bei dem einen und ein gebrochenes Jochbein beim anderen waren die Folge des Angriffs. Plötzlich brüllte einer der umstehenden Nazis „Attack Antifa!“, woraufhin die Gruppe geschlossen auf einen der DGB-Busse zurannte und ihn mit Eisblöcken attackierte. Einige Kollegen konnten nicht mehr schnell genug fliehen. Sie wurden von den Nazis brutal zusammengeschlagen und getreten. Einen 43-jährigen Hessen traf es besonders schwer, ihn traten die Täter immer wieder gegen den Kopf. Später musste bei ihm neben einer Platzwunde an der Stirn auch ein Schädelbasisbruch festgestellt werden.

Rechtsextreme fliehen vor der Polizei

Als die rechten Schläger bemerkten, dass die Polizei gerufen wurde, sammelte ihr Bus die 41-köpfige Gruppe ein und fuhr davon. Der gerade ankommende Polizeiwagen war mit einem Beamten unterbesetzt und hielt ihn daher nicht sofort auf. Stattdessen wurde der Bus 15 km weiter mit Verstärkung angehalten, aber lediglich die Personalien der Rechten aufgenommen, die dann weiterfahren durften. Inzwischen steht fest, dass sich in dem rechten Bus auch drei Neonazis aus Schweden, viele einschlägig Vorbestrafte und mehrere NPD-Kommunalwahlkandidaten aus dem Saarland befanden. Gegen die Schweden wurde im Nachhinein ein Haftbefehl ausgesprochen. Es ist nun an der Polizei, die Taten vollständig aufzuklären und an der Justiz, die Täter angemessen zu bestrafen.
Die Ereignisse zeigen aber auch, dass man sich über die Problematik rechter Gesinnung und Taten auch langfristig mehr Gedanken machen muss. Es hilft nichts, wenn Ereignisse wie diese bagatellisiert werden, wie es jüngst der sächsische Innenminister Buttolo (CDU) getan hat, oder Rechtsextremismus weiter als Problem der Vergangenheit betrachtet wird. Die Notwendigkeit eines breiten politischen Bündnisses mit einer umfassenden Strategie gegen Rechtsextremismus in allen seinen Erscheinungsformen ist unbestreitbar. Auf Dauer wird man um ein Verbot rechtsextremer Parteien und jeglichen institutionalisierten Rechtsextremismus‘ nicht umhinkommen. Dies wird aber ohne umfangreiche und gut finanzierte Demokratiebildung in Schulen und anderen Einrichtungen auf Dauer nichts bringen. Nur wenn rechtsextreme Gesinnung im Keim erstickt wird, kann die Demokratie nachhaltig geschützt werden. Und selbstverständlich ist es auch notwendig, weiterhin entschlossen gegen die Rechten auf die Straße zu gehen.

Miriam Baumeister,
Augenzeugin
Landesvorstand der Jusos NRW

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