Der Anlass des Streits: Papst Benedikt hatte zuvor den Kirchenausschluss von vier Bischhöfen der Piusbruderschaft zurückgenommen, darunter auch die Exkommunikation des Holocaustleugners Richard Williamson. Der Vatikan begründete das mit warmen Worten: „Diese Maßnahme soll die gegenseitigen vertrauensvollen Beziehungen stärken und die Kontakte zwischen der Bruderschaft St. Pius X. und dem Heiligen Stuhl festigen“. Diese Politik des Papstes ist nicht nur für weniger konservative KatholikInnen ein Ärgernis. Die Piusbruderschaft ist vor allem ein echtes Problem für Kinder und Jugendliche, die im Dunstkreis der Mittelalter-Katholiken aufwachsen müssen.

Wer ist die Piusbruderschaft?

Die „Priesterbruderschaft St. Pius X.“ wurde 1970 von dem französichen Erzbischof Marcel Lefebvre gegründet, einem ehemaligen Kolonialbischof im westafrikanischen Dakar. Er wehrte sich vehement gegen die Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Sie ist benannt nach dem konservativen Reformpapst Pius X., der 1910 den „Antimodernisteneid“ einführte, und dem gläubige Katholiken noch heute nachsagen, er könne durch Beten Menschen von Furunkeln befreien. Schon 1954 wurde der angebliche Wunderheiler heilig gesprochen.
Im Geiste ihres Namenspatrons lehnt die Piusbruderschaft die Öffnung zur Ökumene genauso ab wie das Bekenntnis zur Religionsfreiheit. Ein Dorn im Auge sind ihr auch die Bemühungen um eine Aussöhnung mit dem Judentum, dem die katholische Kirche seit den Reformen der 1960er Jahre offiziell nicht mehr den „Gottesmord“ vorwirft.
Der Distriktobere der Priesterbruderschaft in Deutschland, Pater Franz Schmidberger sieht das anders. Noch vor drei Wochen erklärte er schriftlich: „Die Aussage, die heutigen Juden trügen die Schuld ihrer Väter, muss auf jene Juden eingeschränkt werden, welche die Tötung Jesu Christi gutheißen. Ob heutige Juden dies tun, entzieht sich meiner Kenntnis.“ So oder so, für die heutigen Juden sei „der fleischgewordene Gott, Jesus Christus, der Erlöser und einzige Weg zum Heil“.
Der Verzicht auf die Judenmission, die schließlich in ihrer Konsequenz die Auslöschung des Judentums im Sinn hatte, war eine eine Voraussetzung für die Annäherung der Religionen. Hier sorgte Papst Benedikt jedoch schon im Juli 2007 für heftige Irritationen, als er für die Karfreitagsfürbitte die folgende Fassung zuließ: „Lasst uns auch beten für die Juden. Dass unser Gott und Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Heiland aller Menschen.“ Kein Wunder, dass sich der ultrarechte Rand der katholischen Kirche ermutigt fühlt.

Rechtsextreme Umtriebe

Auf ihrer Homepage wettert die Bruderschaft gegen die „systematische Infiltration“ und die „Islamisierung“ Deutschlands. In einem anderen Beitrag freut sich der Prior der Bruderschaft in Zimbabwe darüber, dass die in dem afrikanischen Land die zu missionierenden Kinder „unschuldige Seelen“ seien, weil „Homosexualität, unschamhafte Kleidung […] per Gesetz verboten sind“. In einem Video-Bericht über eine Gegendemonstration zum Christopher Street Day laufen die Gläubigen mit Schildern umher, während sie den Rosenkranz beten. Auf den Schildern steht: „Aids ist die Geißel der Unzucht“ und „Rettet Kinder vor Perversion“. Ein weiteres Video, das die Einweihung eines buddhistischen Zentrums zeigt, poltert: „Stoppt Götzendienst in Deutschland! Buddhismus verstößt gegen das erste Gebot […] Kirchen werden geschlossen, buddhistische Götzentempel eröffnet. Das christliche Abendland ist am Ende!“

Ultrakonservative Privatschulen

Die Bruderschaft baut inzwischen auch ein Netz an ultrakonservativen Privatschulen in Deutschland auf, darunter ein Mädcheninternat in Schöneberg (Rheinland-Pfalz). Rock- und Popmusik sind dort verboten, genauso wie Turnschuhe. Mädchen müssen Röcke tragen, weil diese „Reinheit“ auf ihre Seelen ausstrahlen. Obwohl man die Evolotionstheorie ablehnt, werde sie dennoch unterrichtet, beteuert die Bruderschaft – dazu sei man ja wegen der staatlichen Lehrpläne verpflichtet.
In einer auf der Homepage der Piusbruderschaft dokumentierten Abiturrede konstatiert die Rektorin des Gymnasiums Miachaela Metz nicht nur den „Untergang des christlichen Abendlandes“ und erklärt „Hausarbeit und Mutterschaft“ zur „heiligen Pflicht“. Sie schlägt darüber hinaus revanchistische Töne an: „Die Umerziehung des deutschen Volkes durch die Alliierten nach dem zweiten Weltkrieg – ich meine die systematische Zerschlagung unserer Vaterlandsliebe – wie auch die Erziehung zum Ungehorsam durch die 68er-Generation ist an keinem von uns spurlos vorübergegangen.“

Piusbrüder vor der Haustür

Selbst ohne Holocaustleugner in ihren Reihen wäre diese katholische Freakshow wohl schon schwierig zu ertragen. Die nach eigenen Angaben weltweit knapp 500 Priester starke Bruderschaft betreibt in Deutschland über 60 Priesterseminare, Priorate und Kapellen – auch in direkter Nachbarschaft zu Bochum: Die Vereinigung kaufte Anfang der 1980er Jahre die evangelische „Glaubenskirche“ in Essen und errichtete dort ein Priorat.
Bei der weiteren Debatte sollte man die Piusbruderschaft jedoch nicht isoliert betrachten, sondern sie als nur eine Ausprägung des ultrakonservativen und autoritären Katholizismus ansehen, der seinen Platz mitten in der Glaubensgemeinschaft hat: Anhänger anderer problematischer Gruppierungen sind nämlich vom Kirchenausschluss weitgehend unbedroht – darunter Mitglieder der berüchtigten Personalpraelatur „Opus Dei“, der fundamentalistischen und zumindest in Teilen rechtsextremen „Katholischen Pfadfinderschaft Europas“ sowie Aktiven des sektenähnlichen „Engelwerks“.

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