Bild:

Samstag, 17. Januar 2009: Rund 1.600 Menschen demonstrieren in der Bochumer Innenstadt gegen den Krieg im Gazastreifen. Zur Demonstration aufgerufen hatten vier lokale Moscheevereine. Offiziell, um gegen die Täter auf beiden Seiten zu demonstrieren. Eine kritische oder gar ablehnende Haltung gegenüber der Hamas ist jedoch nicht zu spüren. Stattdessen dominieren Parolen, die entweder an antisemitische Hetze aus der Nazizeit erinnern, oder diese zum Teil sogar wörtlich wiedergeben. „Kindermörder Israel“ zählt zu den beliebtesten Ausrufen an diesem Nachmittag – auch von einem „Holocaust in Gaza“ ist die Rede. Viele Demonstrierende haben blutverschmierte Puppen dabei, die sie in weiße Laken gewickelt haben. Auch Fotos von verstümmelten Leichen – meist Kinder – finden sich auf zahlreichen Plakaten. Einzelne Personen berichten davon, dass sie Verwandte im Gazastreifen haben. Krank vor Angst und emotional aufgewühlt sind viele Menschen nicht aus politischen, sondern aus rein emotionalen und persönlichen Motiven hier. Andere dagegen sind gekommen, um ihr antisemitisches Weltbild zu zelebrieren. „Wir sind auch gegen Israel“, brüllt ein Neonazi umringt von seinen Freunden.

Angst und Antisemitismus

An diesem Tag vermischen sich unterschiedliche Intentionen und setzen die Demonstration in ein schlechtes Licht. Ehrliche Angst um Verwandte, FreundInnen und Bekannte mischt sich mit antisemitischen und antizionistischen Einstellungen und Vorurteilen. Profiteure sind politische und religiöse Extremisten. Der Hamas ist es gelungen, das Leid der Zivilistinnen und Zivilisten im Gazastreifen in den Augen vieler Menschen allein Israel anzulasten. Ignoriert wird daher ständig, dass die Terrororganisation die große Armut der Bevölkerung nutzt und benötigt, um ihre antisemitische und islamistische Politik international zu legitimieren. Auch die bewusste Positionierung militärischer Stützpunkte in Wohngebieten – oft auch in unmittelbarer Nähe zu Krankenhäusern, Schulen und Kindergärten – verdeutlicht, dass die Hamas nur zu gerne zivile Opfer in Kauf nimmt, um Israel international zu diskreditieren. Plakate mit Aufschriften wie „Israel ist der wahre Terrorist“ spielen der Hamas also genau in die Hände. Doch vergessen oder brandmarken sollte man trotz dieser Kritik nicht die berechtigte Angst vieler Menschen, dass die Eskalation der Auseinandersetzungen zwischen Hamas und Israel für die Zivilbevölkerung großes Leid bedeutet und ein Erreichen eines dauerhaften Friedens zwischen Israel und Palästina heute unwahrscheinlicher erscheint als noch vor wenigen Jahren.

Internationale Friedensbewegung

Gegen die Eskalation in Gaza demonstrieren auch zahlreiche Friedensbewegungen und FriedensaktivistInnen überall in der Welt. Gerade auch in Israel ist die Friedensbewegung sehr aktiv und geht täglich gegen das eigene Militär auf die Straße. Pauschale antiisraelische Parolen auf Demonstrationen (wie in Bochum) wirken umso verletzender und sinnloser, wenn man sich vor Augen führt, dass ein Großteil der politischen und karitativen Hilfe für Gaza eben aus der israelischen Bevölkerung kommt. Entlarvend und heimtückisch wirken unter Berücksichtung dieser Tatsache aber auch die Bemühungen der konservativen Rechten in ganz Europa, jeglichen Friedensbewegungen latenten oder offenen Antisemitismus vorzuwerfen. Gerade Institutionen, die zwischen christlich-konservativer und extremer Rechte angesiedelt sind, tun sich durch ein seltsames Verhältnis zu Israel und dem Judentum hervor. Während das rechte Internetportal „Politically Incorrect“ nach außen eine bedingungslose Israelsolidarität betont und politisch Linken pauschal des Antisemitismus bezichtigt, haben die BetreiberInnen keinerlei Problem damit, dass Kommentierende auf ihrer Seite immer wieder von Juden als „Maden im Speck“ der deutschen Gesellschaft sprechen. Auf Widerspruch stoßen solche Kommentare nur sehr selten. Israel dient den Rechten hier als Bollwerk gegen den verhassten Islam, im eigenen Land sind Juden und Muslime jedoch gleichermaßen unerwünscht.

Der Konflikt ist kompliziert und wird in den deutschen Medien häufig nur sehr unzureichend wiedergegeben. Pauschale Aussagen von PolitikerInnen helfen auch nicht weiter, um ein differenziertes Bild auf den Konflikt werfen zu können. Daher verfestigen sich einseitige Extreme, da sich alle Seiten missverstanden und ausgegrenzt fühlen. Wichtig ist und bleibt der Dialog. Gerade in dieser schwierigen Zeit sind Gruppen wie die studentische Initiative „JuMuDia“ (Jüdisch-Muslimischer Dialog) von enormer Wichtigkeit. Emotional aufgeladene Demonstrationen schüren nur den Hass und die Unverständnis. Gerade davon gibt es jedoch schon genug…

Â

0 comments

You must be logged in to post a comment.