Bild:

So gut die Vorsätze auch sein mögen, so undurchdacht und naiv erscheint die Umsetzung des „Lehrreich“-Projekts. Ich möchte im Folgenden zeigen: Ein uniweiter Wettbewerb wie dieser ist einfach nicht geeignet, innovative Ideen in sinnvoller Form zu fördern.

Wie sieht die Realität in dieser Jury aus? Sieben Personen, darunter vier studentische Vertreter­Innen, zwei ProfessorInnen und ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, müssen über die Anträge von über 40 Fakultäten entscheiden. Es liegt nahe, dass diese sieben Personen nicht über die nötige Expertise verfügen können, um alle Anträge sachgerecht zu bewerten. Häufig blieben schon bei der Vorauswahl viele Fragen offen: Welche Relevanz hat die Idee innerhalb des Studienfachs? Kommen alle Studierenden des Fachs in den Genuss des Projekts, oder nur ausgewählte kleine Gruppen mit einem ganz bestimmten Schwerpunkt? Wurde der Antrag vielleicht sogar schon vom Fachschaftsrat wegen mangelnder Relevanz abgelehnt? Wird der Wettbewerb also eventuell sogar dafür missbraucht, die demokratisch gewählten Entscheidungsgremien zu umgehen?

Zur Unwissenheit verpflichtet

Das könnte man alles schnell in Erfahrung bringen, man müsste zum Beispiel nur den entsprechenden Fachschaftsrat dazu befragen. Das geht jedoch in einem solchen Wettbewerb nicht. Die Jurymitglieder wurden verpflichtet, über alle Anträge Stillschweigen zu bewahren. Wir dürfen also weder mit dem betroffenen Fachschaftsrat, noch mit den Lehrenden des Fachs darüber reden, ob sie das Projekt für sinnvoll halten. Diese Regelung gilt für Jurys solcher Wettbewerbe immer, denn sie sollen ja „unabhängig“ entscheiden. Die Jurymitglieder haben also nicht nur zu wenig Einblick in die Studiengänge, sie dürfen sich die nötigen Informationen noch nicht einmal beschaffen. Was bleibt, sind in vielen Fällen Entscheidungen aufgrund eines „Bauchgefühls“ und aufgrund der vermutlich wenig objektiven Aussagen der AntragstellerInnen selbst.

Ein Kranz um den Hals

Das ist also der „Erfolg“ solcher Wettbewerbe: Anstatt einer fakultätsweiten Debatte darüber, welche neuen Lehrmethoden für das Fach am sinnvollsten erscheinen, müssen sich die AntragstellerInnen nur gegenüber Menschen rechtfertigen, welche die Auswirkungen selbst überhaupt nicht zu spüren bekommen. Anstatt ihnen die Möglichkeit zu geben, durch die fakultätsinterne Auseinandersetzung andere von dem neuen Konzept zu überzeugen und sie einzubinden, werden sie öffentlichkeitswirksam mit einem Preis belohnt wie ein Pferd beim Dressurreiten – in der Hoffnung, dass Andere ihnen nacheifern. Die Nachhaltigkeit solcher Maßnahmen ist mehr als fraglich. Werden solche Wettbewerbe wirklich ernst genommen? Oder wird das geschickte Formulieren von Anträgen, die in Form und Vokabular möglichst perfekt dem Neusprech des Hochschulmanagements entsprechen, zur entscheidenden Schlüsselqualifikation? Werden vielleicht sogar Anreize geschaffen, sich nur dann Gedanken über die eigenen Lehrmethoden zu machen, wenn es dafür auch was zu gewinnen gibt?

Für die Entscheidungsprozesse an unserer Uni hat der Lehrreich-Wettbewerb weit reichende Konsequenzen: Er könnte Vorbild werden für die Praxis, die Entscheidungen aus der Hand der gewählten VertreterInnen in Fachschafts- und Fakultätsrat in die Entscheidungskompetenz von Jurys legt, welche nicht demokratisch legitimiert sind, und deren Zusammensetzung man relativ willkürlich festlegen kann. „Best-Practice“-Auszeichnungen etwa durch den Bertelsmann-Think-Tank „Centrum für Hochschulentwicklung“ (CHE) haben schon auf anderen Ebenen die demokratischen Entscheidungsstrukturen der Gruppenuniversität faktisch abgelöst. Der Wettbewerb „Lehrreich“ trägt diesen Paradigmenwechsel weit in die Studierendenschaft hinein.

Allheilmittel Wettbewerb? Nein danke!

Die Schlussfolgerung aus den Erfahrungen mit dem „Lehrreich“-Wettbewerb: Schön, dass endlich die Gebühren für das ausgegeben werden sollen, wozu sie angeblich gedacht waren: zur Verbesserung der Lehre. Schade nur, dass das Rektorat seit dem Ausscheiden der RUB bei der Exzellenzinitiative offenbar nur noch an Wettbewerbe denken kann. Sonst wäre den Verantwortlichen schon längst aufgefallen, dass es viel einfachere und effektivere Methoden gäbe, um Innovation in der Lehre zu fördern: Sie müssten einfach den Fakultätsanteil an den Gebühren erhöhen und im Gegenzug den Rektoratsanteil senken. Dann stünden den Fakultäten selbst mehr Mittel zur Verfügung, um innovative Lehrmethoden zu fördern. Und darüber, was gefördert werden soll, entschieden dann diejenigen, die es am direktesten betrifft, die davon am meisten Ahnung haben, und die genau dazu von ihren Fachschaften gewählt worden sind.

Bleibt zu hoffen, dass das Rektorat diese Einsicht erreicht, bevor es auf die Idee kommt, einen ähnlichen Wettbewerb noch einmal zu veranstalten. Bis dahin bleibt uns als Jury nur, den Wettbewerb so gut wie möglich über die Bühne zu bringen – trotz fehlender Informationen, trotz des Verbots, uns diese zu beschaffen, und trotz der anderen eklatanten Fehler in der Architektur des Steuerungsinstruments „Wettbewerb“.

Â

0 comments

You must be logged in to post a comment.