Die Weber: Solidarität gestern und heute (Foto: Felix Brückner)bsz: Dirk, wie hast Du die historische und die gegenwartsbezogene Schicht der Handlung zueinander in Bezug gesetzt und warum eignen sich „Die Weber“ aus Deiner Sicht immer noch besonders gut, um die gegenwärtige soziale Realität abzubilden?
Dirk Schwantes: In den „Webern“ gibt es insbesondere zwei Momente, die mich bewogen haben, das Stück zu inszenieren: Zum einen das verbotene „Weber-Lied“, also Musik als Auslöser von Protest, zum anderen die Solidarisierung der Weber in der „Kneipenszene“, wo sie beginnen, das Lied zu singen und dann auf die Straße ziehen, um schließlich den Fabrikanten Dreißiger aus seiner Fabrik zu schmeißen. Und meine Fragestellung als ehemaliger Student war: Wie ist das heute bei den Studierenden? Gibt es da noch Lieder, die einen auf die Straße ziehen? Geht heute von einem gemeinsamen Kneipengespräch irgendein Potential aus, was den Protest auf die Straße oder in die Universität trägt? Wo solidarisieren sich Studierende heute noch miteinander?
Eine ganz klare Parallele war die Besetzung des Hauses des Fabrikanten und der Einzug Studierender ins Querforum West auf dem Campus der Ruhr-Uni. Ein weiterer Verbindungspunkt ist das Lied von „Ton – Steine – Scherben“ mit dem Refrain „Das ist unser Haus“, das wir im Stück verwenden.

bsz: Mit welchen darstellerischen Mitteln ist es Dir gelungen, die historische Dimension des sozialrevolutionären Dramas mit den Belangen prekarisierter Studierender der Gegenwart zusammenzubringen?
DS: Zum einen war’s natürlich der Chor auf der Bühne – von der Idee, dass sich die Gruppe bei den Webern versammelt, ein Lied singt und sich dadurch zusammenschließt und durch die Straßen zieht, ging die Logik aus, dass ich einen Chor haben will; dass sich die Studierenden für diese Inszenierung zusammenschließen und gemeinsam diesen Weber-Text sprechen – wo eigentlich auch schon in der Form der Inhalt steckt. Wichtig in der Inszenierung sind außerdem Transparente. Das kommt auch bei Hauptmann schon vor, wo alles sehr klar ausformuliert ist – transparent, sozusagen. Es war ganz klar für mich: Ich wollte ganz viele Transparente haben, um es ganz deutlich zu machen…
Am Anfang ist die Bühne leer, und am Ende ist alles voller Transparente – es ist was passiert. Das war für mich auch eine Art Demonstration des Protestes: Innerhalb von 60 Minuten kann man was verändern! Diese fünf Leute auf der Bühne haben eigentlich ganz viel verändert und gemeinsam geschafft. Das gibt vielleicht auch dem Zuschauer Kraft…

bsz: Wo liegen aus Deiner Sicht die Chancen und Grenzen, innerhalb eines – wie die Universitäten – zunehmend ökonomisierten „Theaterbetriebs“ gesellschaftsverändernd zu wirken?
DS: Für mich ist ganz wichtig, dass Theater immer Protest und Veränderung bedeuten kann. Daran sollte eigentlich jeder glauben, der Theater macht. Es ist eine ganz wichtige Aufgabe von Theater, wie auf diesem Festival Diskussionen anzuregen und Unausgesprochenes anzusprechen. Das ist ein Stück Kritik, das sich diese Gesellschaft bis zu einem bestimmten Punkt leistet. Und jeder Theatermacher sollte eigentlich immer an dieser Grenze arbeiten und nicht immer nur brav sein, sondern manchmal auch Dinge aussprechen, die kein anderer ausspricht. Allein Theater zu machen ist schon Protest – indem man sich zusammenschließt und gemeinsam handelt und seine Positionen ans Publikum weitergibt.

bsz: Welche Faktoren schränken die Rahmenbedingungen zur freien künstlerischen Entfaltung im Musischen Zentrum als Aufführungsort des Stückes spezifisch ein?
DS: Ich habe in meinem ganzen Leben nirgendwo so viel Bürokratie erlebt wie hier an der Uni. Immer ist die Bürokratie im Wege und verlangsamt kreative Prozesse unglaublich. Die Verregelungsdichte im Musischen Zentrum ist extrem hoch. Zum Beispiel durften die Transparente, die wir benutzt haben, nicht aus ganz normalem Leinentuch sein, sondern wir mussten teures schwer entflammbares Material kaufen. Außerdem darf man dem Publikum nicht zu nahe treten, da der Fluchtweg immer frei bleiben muss. Das macht es sehr schwierig, auf der Studiobühne Theater zu machen. Alle Angestellten, die eigentlich nur Marionetten der Universitätsverwaltung auf der anderen Seite des Nordforums sind, alle Betroffenen sollten sich zusammenschließen und dort an die Tür klopfen und…

bsz: …Theater machen, um weiter Theater machen zu können!
DS: Ja, genau richtig! Man könnte ansonsten auch einfach den Betreiber wechseln – dann gehört das Musische Zentrum eben nicht mehr zur Uni, sondern zum AKAFÖ…

bsz: Dirk Schwantes, herzlichen Dank!

Das Gespräch führte Ulrich Schröder.

Dirk Schwantes ist freier Regisseur und ehemaliger RUB-Student. Er arbeitet auch als musikalischer Leiter und Schauspieler beim AGORA Theater in St. Vieth (Belgien). „Die Weber“ erarbeitete er mit Studierenden als Auftragsinszenierung für das megaFON-Festival 2008. Weitere Aufführungstermine im MZ: 13. und 14.12., jeweils ab 19.30 Uhr.

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