Mit Hase Cäsar
in die Zukunft

Gemütlich grabbelte ich gerade zwischen den Buchstaben M und N in der Plattenkiste, als sich meine Blicke kurz ablenken ließen. War es ein heller Lichtschein auf der Straße vor dem Ladenlokal oder doch nur der hektische Flügelschlag einer vor Kindesfuß und Rentnerstock flüchtenden Taube, der meine Augen ins gegenüber positionierte Regal schwenken ließen? Da stand sie, von der ich euch berichten werde.

Filme könnte ich gleich eine ganze Reihe aufzählen, deren zweiter Teil den ersten noch übertrafen. Die Regisseure haben den Erfolg des ersten Teils verdaut, aus Fehlern gelernt und können mit neuem oder erweitertem Handlungsstrang und alten Schauspieler den ersten Teil in den eigenen Schatten stellen. Okay, Gegenbeispiele gibt es auch. Ich kann geradezu hören wie ihr alle aufschreit.
Wenn sich nun aber eine Tonträger-Compilation daran wagt, mit genau den gleichen inhaltlichen Vorgaben wie bereits der erste Teil einen Nachfolger zu gebären, dann könnte man davon ausgehen, es sei bereits alles Pulver bei Teil Eins verschossen worden. Falsch ist diese Vermutung für die kürzlich erschienene und beim Suchen zwischen M und N von gegenüber in meine Finger und auf meinen Plattenteller gerutschte „The In-Kraut Vol. 2“
Wir zeitreisen ins Deutschland zwischen den Jahren 1967 und 1974. Neben einer andauernden Beatlesmania und einer herumlungernden Schlagerfreude, entstehen Melodien ganz anderer Güte, welche schon in ihren jungen Jahren nur einem groovigen und hipshakenden Publikum zugänglich sind. Wie auch im ersten Teil von „The In-Kraut“ haben die drei Macher Stefan Kassel, Frank Lähnemann und Frank Jastfelder, deren Namen auch mir nichts sagen, eine Sammlung von 20 ausgewählten Stücken made in Germany der 60er und 70er Jahre zusammengetragen. Die erstaunten und zugleich vor Erquickung juchzenden ZuhörerInnen erwarten Perlen der deutschen Beat-, Soul- und Soundtrack-Geschichte. Wer noch Fahnen von der WM übrig hat, darf sie jetzt einmal kurz schwenken, bevor er weiter die Ohren spitzt und das Tanzbein schwingt.

Käpt‘n James bittet zum Tanz

Orchestrale Hammond- und Gitarrenwellen wabern durch die Boxen. Das Tommy Haggard Orchester bittet ebenso zum Tanz, wie Soundtrack- und Bigbandgröße Dieter Reith und der geniale James Last, zu dem nicht viele Worte gesagt werden müssen. Für Freunde der eher gesangslastigen Stücke gibt es ein Wiederhören mit Hildegard Knef oder Mary Roos. Wer den Film „Gina Wildkatze“ kennt, darf sich auch auf dessen Titelmelodie freuen. TierfreundInnen sollten bis zum letzten Stück der Platte warten und noch einmal an ihre frühkindliche Fernsehgeschichte zurückdenken.
Musik also aus einer Zeit, in der die InterpretInnen noch Instrumente beherrschten, singen konnten (abgesehen von Hildegard Knefs englischen Lyrics) und ihr Können zu einem treibenden Klangteppich vermischten.
Neben der mittlerweile dreiteiligen „French Cuts“-Reihe mit französischem Liedgut aus der gleichen Ära, erweist sich „The In-Kraut“ als gut recherchiertes, spaßiges und asskickin‘ Stück Musikgeschichte, das wohl sonst in den Köpfen weniger verloren gegangen wäre.
Die LP erwartet die Käufer mit grellbuntem Klappcover und ausführlichen, leider nur auf Englisch verfassten Informationen. Aber das von deutschen verfasste Englisch reicht für einen Blick in die damalige Zeit und macht neugierig auf mehr. Die CD gibt es immerhin im Digipak, also auch was Schönes für Sammler.

RRR

The In-Kraut Vol.2 – Hipshaking Grooves made in Germany 1967-1974!
Marina Records, 2006,
Do-LP oder CD-Digipak, ~15 Euro

0 comments

You must be logged in to post a comment.