Alle reden über das Wetter. Wir auch.

Kanzlerin Merkel macht den Klimaschutz zum Hauptthema des G8-Gipfels im Juni in Heiligendamm. Im Vorfeld diskutieren WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen und ÖkonomInnen die Folgen und mögliche Lösungen der Probleme, die durch die Erderwärmung entstehen. Mittlerweile sind sich alle einig: Der Klimawandel wird gravierende Veränderungen mit sich bringen, und er wird vor allem durch den Ausstoß von so genannten Treibhausgasen verursacht.

Die nötigen Maßnahmen, um die Folgen des Wandels abzuschwächen, würden ein Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts kosten. Das sind etwa 270 Milliarden Euro pro Jahr. Wenn das nicht passiert, könnten in einigen Jahren 100 Millionen Menschen durch Überschwemmungen infolge des ansteigenden Meeresspiegels obdachlos werden, hunderte Millionen würden durch Trockenheit und Dürre zu Klimaflüchtlingen werden und 40 Prozent der Tierarten aussterben. Diese Prognose veröffentlichte Nicolas Stern, Wirtschaftsberater der britischen Regierung.

Was bringt der Emissionshandel?

Stern sagt auch: „Der Klimawandel ist das größte Versagen des Marktes, das die Welt je gesehen hat, und interagiert mit anderen Mängeln des Marktes.“ Trotzdem vertrauen Merkel und andere PolitikerInnen bei der Begrenzung des Schadens weiterhin auf diesen Markt. Für Unternehmen sollen Anreize geschaffen werden, die es ihnen erlauben, auf umweltfreundlichere Technologien umzusteigen, ohne dabei weniger Profit zu machen.
Ein Beispiel dafür ist der Handel mit Emissionen, den Merkel als Maßnahme für besonders sinnvoll hält. Demnach bekommen Konzerne durch Emissionsrechte die Erlaubnis, jährlich eine bestimmte Menge CO2 auszustoßen. Produziert ein Unternehmen weniger als erlaubt, kann es die verbliebene Menge als Emissionszertifikate an andere Unternehmen verkaufen. Dieses Konzept vertraut darauf, dass Konzernen, deren CO2-Ausstoß zu hoch ist, ein Wettbewerbsnachteil entsteht. Bisher waren Umweltgüter gänzlich kostenlos und sind deshalb in den Kosten-Nutzen-Rechnungen der Unternehmen gar nicht berücksichtigt worden. Das Grundproblem des Emissionshandels ist aber, dass auch er den Regeln des Marktes unterliegt. Die Preise für Zertifikate müssen nicht unbedingt teurer sein als eine Investition in umweltfreundliche Technologie – und der Anreiz für Unternehmen ist somit auch nicht höher. Der erste Anlauf zu einem europäischen Emissionshandel ist daran gescheitert. 2005 wurden die Zertifikate erstmals gehandelt. Der Markt brach zusammen, weil sie auf ein Zehntel ihres ursprünglichen Werts fielen. Die europäischen Regierungen hatten mehr Zertifikate als verabredet ausgegeben, um die Wirtschaft zu schonen. Das zeigt, dass die Regierung wenig Interesse daran hat, zugunsten der Umwelt Kontrolle über die Konzerne auszuüben.

Sparglühbirne rein, Problem gelöst

Um das Ansteigen der Erdtemperatur abzuschwächen, wäre nur eine drastische Umstellung auf alternative Energie sinnvoll. Das werden die Energiekonzerne aber nicht freiwillig tun. Und die Bundesregierung tut sich schwer damit, gesetzliche Verbote – etwa gegen umweltschädliche Formen der Energiegewinnung wie das Verbrennen von Braunkohle – durchzusetzen, weil sie vor allem die Interessen der Unternehmen vertritt. Viele politische Parteien finden, dass ihnen Engagement für den Klimaschutz ganz gut stehen würde. Effektive Maßnahmen fordert aber kaum eine, weil auch sie die Unternehmen nicht vergraulen wollen. Auch deshalb ist der Anteil erneuerbarer Energien an der weltweiten Stromproduktion seit 1993 von 21 auf 18 Prozent gesunken. Bundeskanzlerin Merkel kündigte jetzt an, „mit aller Härte“ gegen den Vorschlag der EU-Kommission vorzugehen, den CO2-Ausstoß bei Fahrzeugen auf 120 Gramm pro Kilometer zu senken. Denn das wäre gegen die Interessen der Automobil- und Energiewirtschaft, die die weltweit größten Konzerne sind und gleichzeitig besonders von fossilen Brennstoffen abhängen und für die ein Wechsel zu erneuerbaren Energien ein Risiko und kein garantierter finanzieller Gewinn wäre.
Die PolitikerInnen weichen dem Problem aus und nehmen lieber die Menschen in die Pflicht als die Unternehmen. Die Bild-Zeitung empfiehlt unter dem Titel „Wenn wir diese zehn Dinge tun, können wir die Erde retten!“ etwa die Heizung runter zu drehen, häufiger öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen oder weniger Fleisch zu essen. Das sind Ratschläge, die auch von vielen Regierungen propagiert werden. Und unter den gegeben Umständen ist es auch sinnvoll, umweltbewusst zu leben. Aber der Klimawandel ist kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem des kapitalistischen Systems, dass überhaupt kein Interesse an nachhaltiger Energiepolitik hat – und kann deshalb auch am Wenigsten von uns allein gelöst werden.

sjn

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