Folge eins, zwei und drei
Folge eins: Schatztaucher auf Sylt

Am Abend des 28. Oktober 2047 war es traurige Gewissheit: Alles Investieren in neue Hubschrauber für die Bundeswehr war rausgeworfenes Geld. Nicht nur, dass die unsinnigen Fluggeräte schon bei Windstärke fünf nicht mehr starten konnten, die paar Sandsackladungen, die tatsächlich abgeworfen wurden, konnten Sylt auch nicht mehr retten. Augenzeugen berichten von einem kläglichen Sandsackhäufchen vor dem Porscheautohaus und ein paar Blindgängern, die das Reetdach des Fischrestaurants „Strandperle“ durchschlugen.
Es ist naturgemäß Sache der Experten, auszurechnen, wie hoch die Deiche auf Sylt hätten gebaut werden können, für das Geld, das man für die „topmoderne Heliflotte“ (O-Ton Bundesverteidigungsminister) ausgegeben hatte. So war Sylt allerdings der verheerenden Sturmflut nahezu schutzlos ausgeliefert. Wenn das gesamte Ruhrgebiet überschwemmt worden wäre, hätte kein höherer Sachschaden entstehen können. So wurde Sylt durch den/die OrkanIn (!) „Brunhilde“ für immer von der Erdoberfläche und den Landkarten getilgt, und mit Sylt wurden 10% der gesamten in Deutschland zugelassenen SUVs mit in die Tiefen der Nordsee gerissen.
Nur drei Tage später hatte sich ein neuer Berufszweig auf dem einst von Sylt eingenommenen Territorium etabliert: Schatztaucher. Zuvor im gesellschaftlichen Postenverteilungsgerangel deklassierte Ägyptologen und BWLer mit dem ausgefallenen Hobby Sporttauchen fielen in Scharen an der Nordseeküste ein, um ihr Glück zu machen. Schon am ersten Tag des Goldrausches wurden Legenden geboren: Rolex-Ingo (vormals taxifahrender summa cum laude Absolvent im Bereich ältere Frühgeschichte), der allein bei seinem ersten Tauchgang dreißig Exemplare des brillantumkränzten Rolexmodells Oyester deluxe aus den Fluten fischte. Unvergessen für alle Zeiten jenes Bild, das um die Welt ging: Rolex-Ingo mit jeweils fünfzehn funkelnden Protzuhren über jedem Ärmel seines durchgewetzten Neoporenanzugs. Aber auch in den folgenden Tagen war es immer wieder zu sensationellen Funden gekommen. Bizarr: Albaner-Franze, der nur durch das Entwenden von Geldbörsen aus den Gesäßtaschen von in den Häusern umherschwimmenden Wasserleichen zum Millionär wurde.

Folge zwei: Nicolai Bakunin

Der Deal war für beide Seiten absolut von Vorteil: Die russische Nordmeerflotte war den rostigen Schrotthaufen endlich los und musste sich laut Vertrag um nichts mehr sorgen, für alle Schäden die das monströse U-Boot der Typhoon-Klasse noch anrichten könnte, würde dieser irre alte Typ haftbar gemacht werden, das hatte man sich schriftlich geben lassen, und das alles für den lächerlichen Preis von einer Kiste Vodka! Das muss man sich einmal Vorstellen: Da kommt dieser schrumpelige alte Knacker nach Murmansk und klopft an die Scheibe vom Pförtnerkabuff und sagt er wolle den Kommandanten sprechen. Der Kommandant kommt und redet lange mit dem Hutzelmännchen und am Ende lässt er eine Kiste Vodka für den verschrumpelten kleinen Zwerg holen und der unterschreibt dann einen Vertrag und kann dann sein U-Boot gleich mitnehmen. Der alte Wichtelmann mit Rauschebart ist Nicolai Bakunin, seines Zeichens mit der Herstellung von Internetsicherheitssoftware zum Multimillionär avancierten Visionär. Nur ein Mann von seiner Strahlkraft konnte ein solches Unternehmen durchziehen: Eine komplette Mannschaft für ein solches Typhoon-U-Boot von der Marine anheuern und in See stechen. Mit an Bord: Je zwei Exemplare jeder vom aussterben bedrohten Tierart und eine ganze Hundertschaft blonder Tierpflegerinnen und das alles nur zu einem Ziel: Das Ende der Warmzeit abwarten und die Tiere wieder aussetzen.
Die Zwischenzeit über pflügt die „Arche Bakunin“, vormals „Petrowsk“, durch die Weltmeere und an Bord nimmt die Katastrophe ihnen Lauf: Die Tierpflegerinnen und die Marinesoldaten lernen sich näher kennen und nach zehn Monaten auf See hat die „Arche Bakunin“ den höchsten Kinder-pro-Frau-Ausstoß zu vermelden, der seit Beginn der Statistiken aufgezeichnet wurde. Die rasante Bevölkerungszunahme an Bord hat Konsequenzen: Die beiden letzten Taigaperlhühner werden vom Seemann Archibald Archibaldowytsch zur Feier der Geburt seines Sohnes Pjotr geschlachtet und von dessen Frau Anna mit einer Füllung aus den letzten beiden Polarfüchsen und Süßkartoffeln zubereitet. Naturgemäß gerät Nicolai Bakunin über diese Tat so in Zorn, dass er nur durch eine Meuterei von der Richtigkeit dieser Zubereitung zu überzeugen ist. Er wird von der Mannschaft auf der Insel Madagaskar ausgesetzt und noch heute, am 1.April 2047, durchkreuzt irgendwo auf den Ozeanen ein rostiges altes Atom-U-Boot die Brandung, voll beladen mit langhaarigen russischen Hippies und, ohne dass diese es wüssten: stets verfolgt von einem amerikanischen U-Boot der Ohio Klasse, allzeit bereit, einen Torpedo auf „crazy Ivan“ (U.S. Marine Jargon) abzufeuern…
Folge drei: Toshinoro M. und Harvey B.

Dieser großkotzige Butterstinker Harvey Baumgartner sollte seine Lektion bekommen: Toshinoro Makabe würde diesen Wettstreit gewinnen. Er würde dieses letzte Rennen um den Nordpol für sich entscheiden. Er war der größte Jäger der Welt und er würde ihn erlegen: Den letzten noch wild lebenden Polarbären. Viel Platz zum verstecken hatte das Tier ja nun, im Jahre 2047, nicht mehr…
Natürlich waren diese Naturschützer ein Problem, die überall in der Eiswüste Eisbärattrappen aufgestellt hatten. Aber sicherlich war auch dieser Trunkenbold Baumgartner schon auf diese Pappkameraden reingefallen. Irgendwann musste auch die letzte Attrappe zerstört sein. Und irgendwann würde Toshinoro Makabe den echten Bären erwischen, und dann würde den Umweltfanatikern ihr Lachen schon vergehen. Diese Narren wussten ja nicht, was sie da taten. Mit Plastiktröten sind einige von ihnen durch das Eis gewandert, um den Bären zu warnen. Als der Bär aber einen von ihnen erwischt und übel zugerichtet hatte, waren sie auf die Taktik mit den Pappbäraufstellern gekommen.
Toshinoro Makabe hatte schon von den Chinesen die abstrusesten Beträge für die Krallen und den Penis des Bären geboten bekommen. Allein durch den Verkauf der Hoden würde er die gesamte Jagdexpedition finanzieren können und hätte noch einen schönen Batzen Geld obendrauf. Nur Harley Baumgartner durfte ihm nicht mehr in die Quere kommen. Dieser Verrückte hatte zunächst versucht, sich als Eisbärendame verkleidet an den Polarbären heran zu schleichen. Toshinoro Makabe hätte ihn fast abgeknallt, wäre ihm nicht im letzten Moment der taumelnde Gang der Eisbärin aufgefallen. Im Camp hatte Baumgartner davon gefaselt, dass ein ordentlicher Schluck Kentucky Bourbon doch wohl auf jeden Fall zu einer richtigen Jagd dazugehöre. Toshinoro Makabe fragte sich, wie man in einem solchen Zustand überhaupt noch irgendetwas treffen soll.
So in seine Gedanken versunken lag Toshinoro Makabe auf der Lauer, sein Manlichergewehr entsichert und schussbereit im Anschlang, als die Stimme von Baumgartner aus dem Lautsprecher des walkie talkies knatterte: „Verdammte Scheiße! Der Drecksbär treibt ab! Das Mistvieh sitzt auf ’ner Eissscholle und schwimmt weg! Er wurde irgendwo vor Reykjavik gesichtet! Verdammt, verdammt, verdammt!“ Baumgartner erwartete von ihm, Toshinoro Makabe, doch wohl nicht im Ernst, dass er das glaubte, oder etwa doch?!

Benz

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