Ausstellung in Dortmund

Wo ist Zuhause? fragt sich das Dortmunder Museum am Ostwall, das sich in vier aufeinander folgenden Ausstellungen mit den Themen Identität und Migration beschäftigt und dazu ein umfangreiches Begleitprogramm mit Vorträgen, Führungen, Diskussionen und Workshops präsentiert. Zur ersten Ausstellung, die Videoinstallationen des in China geborenen und in Österreich aufgewachsenen Künstlers Jun Yang zeigt, wirft Massimo Perinelli, Historiker an der Uni Köln und Mitglied der Gruppe Kanak Attak, am morgigen Donnerstag (1. Februar) die Frage auf, wie sich der Diskurs über Integration auf das Leben von Nicht-Deutschen auswirkt.

„Get a formal haircut – not too funky, not too wild“ – die Handlungsanweisungen, die auf großen, piktogrammartigen Tafeln im Studio des Museum am Ostwall zu sehen sind, scheinen beinahe aus dem „Knigge“ zu stammen. Es geht bei ihnen allerdings nicht um die Frage des „guten Benehmens“. Vielmehr sind sie Teil einer subversiven Strategie der Affirmation, die denjenigen, die aufgrund ihres Verhaltens oder Aussehens als „verdächtig“ gelten, Handlungsspielräume eröffnen soll. Sie gehören zu der Videoinstallation „CAMOUFLAGE. LOOK like them. TALK like them.”, in der Jun Yang aufzeigt, wie nach dem Anschlag auf das World Trade Center in der westlichen Welt diejenigen, die ihrem Aussehen nach für „Ausländer“, insbesondere für Moslems gehalten werden, als „verdächtig“ gelten. Dazu erzählt er die Geschichte des Chinesen „X“, die stellvertretend für die Lebenssituation vieler Migrantinnen und Migranten steht. X Leben in Österreich ist geprägt von dem permanenten Druck, nicht aufzufallen, da er illegal aus China eingewandert ist. Durch „Camouflage“, eben „Tarnung“, wie beispielsweise das Erlernen der deutschen Sprache oder die Anpassung an Dress- und Verhaltenscodes, versucht er, in der Masse zu verschwinden.

Im Nebenraum läuft unter einer Art chinesischem Baldachin ein weiteres Video, „coming home. daily structures of life“, in dem Jun Yang von seiner Kindheit erzählt. Seine Eltern, Migrant/inn/en aus China, eröffneten in Österreich ein Restaurant, obwohl sie keinerlei Erfahrungen in der Gastronomie besaßen. Am Beispiel seiner eigenen Biographie beschreibt Yang wie sich die Selbst- und Fremdwahrnehmung von Migrantinnen und Migranten auf komplexe Weise verschränken: Dem Klischee vom „asiatischen Einwanderer“, den man sich als Besitzer eines Asia-Supermarktes oder eines Restaurants vorstellt, steht das Bedürfnis von Migrantinnen und Migranten gegenüber einen Teil ihres gewohnten Lebens – zum Beispiel das Essen – in ihren neuen Alltag zu integrieren. Das Design, das die Eingewanderten dann z.B. ihren Restaurants verleihen, prägt wiederum das Klischee, das man von China hat: Der chinesische Baldachin stammt aus dem Restaurant von Jun Yangs Eltern und ahmt standardisiert und simpel Versatzstücke chinesischen Dekors nach – was im Westen als „klassisch chinesische Innenarchitektur“ gesehen wird. Jun Yang zeigt jedoch auch auf, wie brüchig die Vorstellung von ethnischer oder kultureller Zugehörigkeit ist, indem er ein Missverständnis in einem koranischen Supermarkt beschreibt: Die Kassiererin hält ihn aufgrund äußerer Zuschreibungen für „einen der ihren“ und spricht ihn auf koreanisch an – und Yang versteht kein Wort.

Massimo Perinelli wird am Donnerstag, den 1. Februar, in seinem Vortrag „No integration! Für ein Recht auf Rechte“ aufzeigen, welche Folgen der deutsche Diskurs des Multikulturalismus und der Integration für die Situation von Nichtdeutschen hat und welche Strategien Migrantinnen und Migranten seit jeher dagegen entwickelt haben. Während Jun Yang also in seiner Installation „Camouflage“ die Stigmatisierung des „Anderen“ als „verdächtig“ mit künstlerischen Mitteln beschreibt, interveniert Kanak Attak mit ihren Aktionen praktisch gegen die rassistische Hierarchisierung von Menschen und fordert jenseits nationaler Identitäten ein Recht auf Rechte für alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft. Massimo Perinelli stellt mit seinem Vortrag Beispiele aus der Praxis von Kanak Attak zur Diskussion.

Nicole Grothe

Wo ist Zuhause? No. 1: Jun Yang
Noch bis zum 15. April im Museum am Ostwall, Ostwall 7, Dortmund.

Massimo Perinelli:
no integration! Für ein Recht auf Rechte!
Vortrag und Diskussion am Donnerstag,
1. Februar 2007, 18.30 Uhr
Museum am Ostwall.

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