563 Einkaufszentren gibt es in der Bundesrepublik und weitere sind in Planung. 94 gibt es allein in Nordrhein-Westfalen. Für die Innenstädte bedeutet das meistens nichts Gutes. Denn viele große Zentren wurden in den letzten 20 Jahren außerhalb der Stadt gebaut und lassen für die Stadtkerne nur wenig Kunden übrig. Sie sollen bequem mit dem Auto erreichbar sein, alle Geschäfte auf einem Fleck bieten und das richtige Einkaufsgefühl gleich mit. Deshalb gibt es ab November auch Weihnachts-flair und ab Februar Ostereier und irre blickende Riesenhasen. Der Einzelhandel leidet oft unter den Prestigeprojekten. Das zeigt zum Beispiel das Centro in Oberhausen, das 1996 eröffnet wurde und sich unverblümt „Neue Mitte“ nennt. In der Innenstadt schließen seitdem die Geschäfte, nur Ramschläden haben noch gute Chancen. Klaus Frömgen hat das zu spüren bekommen. Sein Schuhgeschäft musste er schließen, dafür betreibt er dort jetzt einen 1-Euro-Shop – weil er keine Mieter für seinen Laden finden konnte. „Man hat uns damals belogen“, meint er. Der Investor des Centro hat lange verschwiegen, welche Geschäfte in das Centro ziehen werden. „Und dann waren es allesamt innenstadtrelevante Branchen. Schuhe und Textil finden sie jetzt in der City fast nicht mehr, dafür gibt es aber 25 Schuhgeschäfte im Centro.“ Der Einzelhandel hat 50 Prozent seines Gewinns verloren. Ähnlich sieht es in Mülheim aus, seit dort 2001 das Rhein-Ruhr-Zentrum vergrößert wurde. Und auch die Bochumer Innenstadt hat unter dem Ruhr-Park gelitten, der 350 Millionen Euro Umsatz im Jahr macht. Dieses Zentrum war in den 1970ern eines der ersten, das „auf der grünen Wiese“ außerhalb der Innenstadt geplant wurde. Dass dieses Konzept Probleme für den Einzelhandel bedeutet, ist mittlerweile auch den letzten StadtplanerInnen klar geworden. Sinnvolle Konsequenzen ziehen sie trotzdem nicht. Die Misere der Essener Innenstadt soll zum Beispiel dadurch gelöst werden, das eine 300-Millionen-Euro-Mall mit 200 Geschäften direkt ins Stadtzentrum gebaut wird – und die KundInnen künftig nicht auf die grüne Wiese abzieht, sondern einfach in die Innenstadt selbst. Ähnlich sieht es mit Drehscheibe und Citypoint in Bochum aus.

Aber nicht nur für die Ladenbesitzer, sondern auch für die Beschäftigten verheißt der Bau eines Zentrums nichts Gutes. In den Stadtkernen gehen Arbeitsplätze verloren, gleichzeitig sind Arbeitsbedingungen und Bezahlung in den Shopping-Paradiesen meist schlechter. In die Zentren ziehen fast ausschließlich Ketten ein. Und egal ob H&M oder Zara, an Tariflöhne wird sich nicht gehalten. Bis heute streitet die Gewerkschaft ver.di dafür, dass Angestellte bei H&M überall 1.500 Euro für eine Vollzeitbeschäftigung bekommen. Viele der Modeketten stellen bevorzugt SchülerInnen und StudentInnen ein, für die sie keine Sozialabgaben zahlen müssen. Durch die langen Öffnungszeiten sollen die Angestellten so flexibel wie möglich sein – eher schlecht, wenn dann einE VerkäuferIn Kinder hat. Im Centro wurde eine Filiale von Fox Kids verklagt, weil die Mitarbeiterinnen für 6,50 Euro pro Stunde 13 Stunden am Stück arbeiten sollten, keine Pausen bekamen und die Personaltoilette nur durch einen Vorhang vom Laden getrennt war.

Nicht zuletzt nimmt durch Einkaufszentren das kulturelle und soziale Leben der Stadt ab, und auch das zeigt das Beispiel Oberhausen. Dort werden drei Schwimmbäder geschlossen, sobald im nächsten Jahr ein großes Spaßbad in der Nähe des Centro gebaut ist. Vor allem für Kinder wird es dann schwierig, denn die Neue Mitte befindet sich eben nicht wirklich in der Mitte und ist schwerer zu erreichen. Durch Freizeitangebote, die oft in Einkaufszentren integriert sind, bekommen auch kulturelle Einrichtungen in der Stadt Konkurrenz, und die Lebendigkeit einer Innenstadt mit vielen verschiedenen Läden und Treffpunkten weicht der durchorganisierten Welt eines Zentrums aus einem Guss.

0 comments

You must be logged in to post a comment.