Die schönste Zeit des Jahres ist für viele die Spargelzeit oder der Karneval oder die Zeit, die nicht die Sommerpause in der Bundesliga ist. Gemeinhin wird aber angenommen, dass es sich bei der Urlaubszeit um die schönste Zeit des Jahres handele. Um diese Zeit möglichst lange genießen zu können, greifen viele Urlauber zu Hilfsmitteln, die ihnen dieses Urlaubsgefühl verlängern sollen.

So kann man die ledergesichtigen Spanienurlauber in der Nachsaison „beim Spanier“ oder auch „bei Manolo“ (dies: Spanienurlauberjargon; gemeint ist: spanisches Restaurant um die Ecke und der Wirt ebenjenes Gastronomiebetriebs) erleben. Munter bestellen sie eine Runde Tapas nach der anderen und stoßen fröhlich und laut klirrend mit ihren Gläsern randvoll mit Rioja-Weinen an. Es geht hoch her, und der Wirt dieses Lokals hat schon lange erkannt, dass er gut daran tut, den fröhlichen Südländer zu geben, der auch schon Mal mit der Flasche Ossborne Veterano an den Tisch eines beliebigen Kegelklubs kommt um eine Runde auszugeben. Diese südländische Mentalität des sogenannten Fünfe-gerade-sein-lassen-Könnens gepaart mit einer „unglaublichen Gastfreundschaft“ wird von den Besuchern solcher Lokalitäten erwartet und man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, dass es eben diese Mentalität ist, die den Laden „des Spaniers“ Abend für Abend mit Leuten füllt, die ihre Hemden zu weit aufknöpfen. Das gleiche kann auch für „den Griechen“ oder „bei Niko“ (dies: Griechenlandurlauberjargon; gemeint ist: griechisches Restaurant um die Ecke und Wirt besagten Gastronomiebetriebs) gelten, nur dass der mit einer Flasche Ouzo an den Tisch des beliebigen Kegelvereins herantritt, anstatt mit Ossborne Veterano. Wichtige Ausnahme: Das Restaurant Mykonos. Hier weist ein kleiner bunter Aufkleber in Fahnenform an der Eingangstür auf die Besonderheiten der Lokalität hin. Hier kann es dem/der überraschten, weil unvorbereiteten, Griechenlandurlauberin passieren, dass sie anstatt des üblichen volksmusikalischen Syrtaki-Genudels mit den Hits der Village People oder ähnlicher polonaisetauglicher Rhythmen konfrontiert werden. Da heißt es dann die Contenance wahren und verduften oder schnell ein paar Ouzo oder Raki bechern, lächeln und nicken, wenn man allzu freundliche Schläge auf seine Schultern durch den Wirt besagter Taverne zu gewärtigen hat.

Einhundert Prozent
Bruchteile
Neben dem Aufsuchen solcher nach Landesthemen gestalteter Kneipen und Restaurants hilft auch das bunkern von sogenannten lokalen Spezialitäten bei der Konservierung/Auffrischung des Urlaubsgefühls (vulgo: Urlaubsfeeling). Besonders beliebt sind Schnäpse, aber auch süße
Leckereien tun ihren Dienst am Fernweh. Dass diese lokalen Spezialitäten zu Hause niemals so gut schmecken wie im Urlaub, kann als bekannter Gemeinplatz vorausgesetzt werden und verdient aufgrunddessen keine weitere Beachtung.
Eine bisher nicht verstandene Bewegung in der deutschen Urlaubergemeinde versucht sich des Urlaubsgefühl mittels Aufklebern auf den Hecks ihrer Automobile zu versichern. Der Klassiker schlechthin auf diesem Gebiet ist ganz sicher der Syltaufkleber. Geschätzte einhundert Prozent der Deutschen haben eine ziemlich korrekte Vorstellung von den Umrissen der Nordseeinseln Sylt, auch wenn nur ein Bruchteil dieser Menge in der Lage wäre, eine allgemeinverständliche Beschreibung dieser Silhouette anzufertigen (auch dies nur: schätzungsweise).
Doch die Syltaufkleberfraktion wird immer brüchiger. In Düsseldorf sind schon die ersten Arztfrauen dabei beobachtet worden, wie sie die Syltaufkleber vom Kofferraumdeckel ihres 1er BMWs wieder abknibbelten.
Weitere Varianten dieser nichtzuverstehenden Aufkleberbewegung sind der Ossborne-Stier des schon erwähnten Spanienurlaubers und das glitzernde Stadtwappen von Bad Münstereifel, wie man es vorzugsweise auf mit holländischen Kennzeichen versehenen Wohnwagen vorfindet. Auch die Landesflaggen verschiedener skandinavischer Länder sind als Aufkleber auf selbstausgebauten Wohnmobilen, wie sie von Spiegellesern gefahren werden, äußerst beliebt. Der durchschnittliche Floridaurlauber wird demgegenüber ein Blechnummernschild („Florida-the sunshine state“) auf der Hutablage als Brandzeichen bevorzugen.
Ob und wie das ganze dabei hilft, das Urlaubsgefühl in den sogenannten (meist auch noch: grauen) Alltag hineinzutragen, ist nicht bekannt. Dass solche Versuche unternommen werden, sei hiermit bewiesen.
Wer näheres zu diesem Thema zu erfahren wünscht, schreibe folgendes gut recherchierte Buch: „Urlaub als System–parapsychologische Untersuchungen im pauschaltouristischen Tohuwabohu“.

m Benz

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