Seit diesem Sommersemester dürfen die Leitungen der nordrhein-westfälischen Hochschulen Studiengebühren von den Studierenden verlangen. Die evangelische Fachhochschule Bochum ist eine der wenigen, an denen die Studenten noch nicht zahlen müssen. Am 15. Mai soll im Senat darüber entschieden werden, ob auch dort allgemeine Studiengebühren eingeführt werden. Seit Montag, den 23. April streiken die Studierenden, um sich dagegen zu wehren.

Am Mittwoch haben Studierende eine Demo organisiert, um gegen die Gebühren zu protestieren. Mehrere hundert Leute sind schwarzgekleidet in die Innenstadt gezogen, um die Bildung symbolisch zu Grabe zu tragen. „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut“, riefen sie und legten zwischendurch während Sit-Ins auf der Straße Schweigeminuten für die freie Bildung ein. „Ich studiere hier im 1. Semester. Die Gebühren würden mich also mein ganzes Studium lang betreffen“, erzählt Christin von der FH. „Ich finde, dass die Bildungsfreiheit durch die Gebühren erheblich eingeschränkt wird. Außerdem hat uns das Rektorat nie einen vernünftigen Grund genannt, wofür sie unser Geld ausgeben wollen. Ich will nicht hochverschuldet aus dem Studium kommen, das tue ich ja durch das Bafög sowieso schon. Deshalb bin ich Heute hier und demonstriere mit“, meint sie. In kurzer Zeit haben die Studierenden der FH einen breiten Protest organisiert. „Wir haben letzten Donnerstag eine Vollversammlung gemacht, auf der wir darüber abgstimmt haben, ob wir die Organisation von studentischem Protest befürworten. Die Mehrheit war dafür“, erzählt Leif, der auch an der FH studiert und den streik mitorganisiert. „Dann haben wir eine Müllsack-Aktion geplant. An der FH wurden Müllsäcke verteilt, um darauf aufmerksam zu machen, welche sozialen Probleme die Gebühren bedeuten – zum Beispiel, dass die Studierenden sich keine vernünftige Kleidung mehr leisten können.“ Außerdem wurde eine Unterschriftenaktion gemacht, bei der sich die Hälfte der 2000 Studierenden gegen die Gebühren ausgesprochen hat. Schon drei Tage nach der Vollversammlung lag der Lehrbetrieb am Montag lahm. „Wir haben vor alle Eingänge Streikposten gestellt und die Türen symbolisch blockiert“, sagt Jürgen Wetterau vom AStA. Die ganze Woche finden Workshops und Proteste statt, in denen die Studierenden weiter diskutieren. Das Protestkomitee hat auch Zelte organisiert, damit Leute an der Fachhochschule übernachten können.

Hochschule gegen Hochschule

Der Rektor sieht keine Alternative zur Einführung der Gebühren. Er will, dass Bachelor-StudentenInnen 400 Euro und MA-Studenten demnächst 500 Euro pro Semester zahlen müssen. „Auch wir stehen in einem Qualitätswettbewerb mit den anderen Hochschulen“, meint er. Die Studierenden bezweifeln aber, dass die Qualität der Lehre durch Gebühren besser werden kann. Die bisherigen Erfahrungen zeigen zumeist, dass die Studiengebühren an den Unis nicht dazu verwendet werden, um die Studienbedingungen zu verbessern, sondern um Haushaltslöcher zu stopfen. „Bisher wurde immer nur darüber diskutiert, wie die Gebühren eingeführt werden sollen, aber nicht, ob sie eingeführt werden“, sagt Leif. Deshalb haben die Studierenden die Chance, noch etwas zu verändern. „Wir wollen uns klar gegen die neoliberale Landespolitik stellen und ein Bekenntnis zur sozialen Verantwortung abgeben.“, erklärt das Streikkomitee. “ Als eine von sehr wenigen Hochschulen wollen wir Studierenden an unserer EFH beweisen, dass eine gute Bildung nicht allein von finanziellen Mitteln abhängig gemacht werden kann. Die Qualität von Lehre und Forschung ergibt sich schließlich aus der Qualität der Lehrenden und Forschenden, den Fähigkeiten der Mitglieder einer Hochschule und sie ergibt sich eben nicht aus deren Geldbeuteln.“ In NRW ist es per Gesetz jeder Hochschule selbst überlassen, ob sie von den Studierenden Geld verlangt oder nicht. Es wird also keine Unileitung dazu gezwungen, Gebühren zu erheben. Nur vier Hochschulen haben sich bisher gegen die Einführung entschieden. Die meisten Hochschulleitungen wollen „wettbewerbsfähig“ sein und lassen die Studierenden dafür zahlen.

Kassen leer?

Das Totschlagargument der Gebührenbefürworter ist, dass schlicht kein Geld da ist. Und tatsächlich müssen die Hochschulen mit immer weniger Geld auskommen. Seit 1993 ist der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt kontinuierlich gesunken. Diese Entwicklung ist allerdings gewollt und kein Sachzwang. In den letzten Jahren ist die Umverteilung von oben nach unten rasanter geworden. Die Bundesregierung hat den Arbeitslosen durch Hartz IV das Geld gekürzt und gleichzeitig die Unternehmen steuerlich entlastet. Und während für die Bildung angeblich kein Geld mehr da ist, bekommt das Verteidigungsministerium 500 Millionen mehr als 2006.Dazu kommt, dass die jetzige Struktur des Bildungssystems den Unternehmen zu wenig Profit verspricht. Deshalb wird das Bildungswesen unterfinanziert. So müssen die Hochschulen miteinander um Gelder konkurrieren. „Ohne Finanznot würde sich an den Hochschulen nichts ändern“, meinte der Prorektor der Mannheimer Uni 1998. Durch die Abwälzung der Kosten auf die Studierenden, den Elitewettbewerb, und die Einführung der BA/MA-Studiengänge ändert sich das. Studierende sollen nicht in erster Linie lernen, sondern möglichst schnell und kostengünstig dem Arbeitsmarkt zu Verfügung stehen. Die PolitikerInnen werden die Bildung nicht freiwillig wieder in den Mittelpunkt des Bildungswesens stellen, weil sie vor allem die Interessen der Wirtschaft vertreten. Schüler, Studierende und Auszubildende verfügen über keine starke Lobby. Deshalb müssen sie sich selbst erkämpfen, was ihnen zusteht – wie die StudentInnen der EFH.

sjn

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