Bereits seit 2001 existiert in der Dorstener Straße in Bochum-Hamme ein Zentrum des tibetischen Diamantweg-Buddhismus. Insgesamt befindet sich das Zentrum sogar schon seit 1984 in der Region und fand über Witten und Hattingen schließlich seinen Weg nach Bochum – unter anderem auch, um die Nähe zur Universität zu suchen. Wir folgten der Einladung und verbrachten einen Tag mit weiteren Gästen in der ehemaligen Volksbank-Filiale, die nun als Meditationszentrum dient. Außerdem sprachen wir mit Dietrich Rowek (Schüler des international bekannten Lama Ole Nydahl), einem Reiselehrer und Kopf der Bochumer Buddhisten.

Tempel oder Zentrum?

Liest oder hört man vom Buddhismus, fällt meist auch der Begriff des Tempels. Im Westen verzichtet man jedoch überwiegend auf diesen Begriff und spricht stattdessen von Buddhistischen Zentren. „Der Ort, an dem man meditiert, wird automatisch Tempel“, sagt Dietrich Rowek und führt fort: „die buddhistischen Zentren in Europa sind jedoch jeder Person zugänglich und daher vermeiden wir den Begriff Tempel, der bei uns andere Assoziationen hervorruft.“ Zwar sieht man Buddha-Statuen, Teelichter und Meditationskissen, den Eindruck, in einem Tempel zu sein, hat man jedoch keineswegs. Menschen laufen gelassen umher, begrüßen sich herzlich und bedienen sich am Buffet. Lockerheit wird groß geschrieben und auch die fehlende Anerkennung in Deutschland als Religionsgemeinschaft stört offenbar niemanden. „Als Religionsgemeinschaft erhält man Steuervorteile, aber wir können unsere Miete bezahlen und sonst läuft alles ehrenamtlich, Geld kann da eigentlich nur schaden“, teilt mir ein regelmäßiger Besucher des Zentrums mit. Man wolle sich hier für „die Natur des Geistes“ öffnen, dafür bedarf es keiner besonderen Äußerlichkeiten, sollen ja auch gerade diese oberflächlichen Äußerlichkeiten überwunden werden. Etwa 50 Mitglieder kommen regelmäßig ins Zentrum um zu meditieren oder Vorträgen zu lauschen. Einige Gäste sind eigentlich immer dabei, „darunter auch viele Studentinnen und Studenten“ merkt Dietrich Rowek an. Einen Grund hat er auch direkt parat: „Die Nähe des Buddhismus zu Wissenschaft und Philosophie schafft Brücken. Es ist nicht bloß ein Glaube, es steckt mehr dahinter – das merken die Menschen.“

Buddhismus im Ruhrgebiet

So einfach war es jedoch nicht immer. „In den Siebzigern wurde ich von einigen Freunden von einem auf den anderen Tag nicht mehr gegrüßt, weil ich meditieren wollte.“ Der Strukturwandel im Ruhrgebiet erzeugte jedoch auch eine größere Offenheit der Menschen gegenüber dem Buddhismus. Die schon immer sehr herzliche und offene Art im „Pott“ hat die anfängliche Distanz besiegt. „Starke Ablehnung uns gegenüber kommt fast nur noch von extremer religiöser Seite“, meint der spirituelle Kopf des Zentrums. Buddhistische Praxis und buddhistisches Denken stehen auch in vielerlei Hinsicht im krassen Gegensatz zu anderen religiösen Positionen. Rowek fasst es leicht ironisch mit „Kein Gott, keine Seele: kein Problem!“ zusammen. Auf die Frage, ob der Buddhismus dann statt als Religion eher als Philosophie zu sehen sei, gibt sich Rowek nachdenklich: „Die Kraft kommt von Innen – vom Meditieren – daher sind weder Religion noch Philosophie wirklich passende Begriffe. Buddhismus muss man erfahren. Philosophie kann höchstens ein erster Zugang – eine Art Medium – sein. Treffend wäre vielleicht der Begriff Geisteswissenschaft, aber da denkt auch jeder gleich wieder an Philosophie.“

Der Tibet-Konflikt

Besucht man ein Zentrum des tibetischen Buddhismus, stehen natürlich auch Gespräche über die aktuellen Konflikte in und um Tibet im Mittelpunkt. Unter den Bochumer Buddhisten sieht man hier jedoch nicht bloß die menschenrechtsfeindliche Politik der chinesischen Regierung kritisch, sondern auch die Rezeption des Konflikts im Westen. „Viele Menschen wollen ein heiliges Land sehen, in dem alles in Ordnung war. Dem ist natürlich nicht so. Bis ins letzte Jahrhundert hinein herrschte in Tibet Mittelalter, zum Teil ist das auch bis heute so. Das übersieht der Westen. Es gibt ein verklärtes Bild von Tibet.“ Gleichzeitig spricht Rowek jedoch begeistert von der Spiritualität in Tibet: „Dort sind im Zeitraum von tausend Jahren buddhistische Traditionen entstanden, die es nirgendwo anders gibt. Aber was wir von Tibet an Spiritualität gelernt haben, können sie vom Westen an politischer Transparenz und Offenheit lernen. Es ist ein beidseitiges Geben und Nehmen. Deshalb ist dem Dalai Lama auch kultureller und wissenschaftlicher Austausch so wichtig.“ Auf die Frage, ob der Dalai Lama selbstkritisch genug mit der Vergangenheit Tibets umgeht, antwortet Rowek: „Ich habe nicht alles von ihm gelesen. Aber der Dalai Lama hat sich entwickelt und geht nun selbstkritisch mit der Vergangenheit Tibets um und erwähnt immer wieder die schwierigen Seiten Tibets, die Reformen erforderlich machen. Das war in seinen ersten Büchern noch nicht ganz so, aber auch in Bochum hat er die Probleme Tibets angesprochen.“ Roweks abschließendes Plädoyer ist trotzdem der Wunsch nach Trennung von Religion und Politik: „Buddhismus sollte von Politik getrennt werden. Buddhisten können natürlich Politiker sein, aber die Verknüpfung von Religion und Politik ist gefährlich – die Geschichte hat es immer wieder bewiesen.“

Buddhismus selbst erleben

Wer ebenfalls mehr über das Buddhistische Zentrum in Bochum erfahren möchte, muss nicht auf den nächsten Tag der offenen Tür warten. Jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat um 19:00 Uhr können Interessierte ins Zentrum nach Hamme kommen. Auch der Informationsabend mit Meditation (jeden Freitag ab 20:30 Uhr) steht Gästen offen. Weitere Informationen, Termine und die genaue Adresse findet Ihr auch im Internet unter www.buddhismus-bochum.de.
jk

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