Gut/Böse-Unterscheidungen
Folge 1.0

Wer mit der Unterscheidung gut/böse herumhantiert wird schnell bemerken, dass die beiden Begriffe voneinander abhängen, das sie jeweils nur eine Seite der Unterscheidung bezeichnen können, folglich als Reflexionswert der jeweils anderen Seite herhalten müssen, schließlich lautet die Unterscheidung nicht gut/kalorienreduziert oder saulecker/böse. Die eine Seite kann also ohne die andere Seite nicht gedacht werden. Doch was geschieht mit der Welt, wenn ihr die Bösewichter ausgehen?

Nicht nur der amerikanische Feldzug gegen die Achse des Bösen, sondern auch der neue „Die Hard 4.0“-Film zeigen es überdeutlich: Die Zeit der Superbösewichte ist vorbei. Das wahrhaft Gute hat keine Gegner mehr. Bosheit als Passion, das ist lange vorbei. Die Zeiten sind komplizierter geworden, so scheint es zumindest. Das Böse sucht sich zuweilen Mitstreiter in den Reihen des/der Guten, die es verführt. Dazu bedarf es freilich keines sehr großen Raffinements: Es genügt den Bösewicht glauben zu machen, seine fiesen Aktionen seien dem Guten schlussendlich doch von Nutzen, er also auch: einer der Guten. In „Die Hard 4.0“ sieht das dann so aus: Durchgedrehter Karrieremensch (mindestens fünf Praktika neben dem Studium) will in der Behörde seiner Wahl (Computersicherheit; davon versteht der Kinozuschauer praktischerweise eh nix) eine wahnwitzige Karriere starten und wird dabei dann von der Zaghaftigkeit der Alteingesessenen Behördenmenschen ausgebremst. Frustriert beschließt der angehende Bösewicht seine Visionen auf eigene Faust in die Realität umzusetzen, also den Beweis anzutreten, dass er richtig lag und der Rest der Welt: falsch.
Aber das ist naturgemäß kein Gegner für einen waschechten Aktionshelden wie Detective John McClane. Ein Beamter, der auch noch so ausschaut, als sei er soeben aus einem Dolce & Gabana-Ei geschlüpft, ohne verwegene Narben im Gesicht, ohne verschrobene Haustiere (Frettchen, Nattern, Haie etc.) stellt aber nicht den benötigten Kontrast her, den es braucht, um einen Aktionshelden zum leuchten zu bringen. Es ist der Kontrast, der die Sache funktionieren lässt.
Wundersamerweise ist es in der Realität gerade anders herum: Austauschbare US-Präsidenten wechseln sich im Kampf gegen die Superbösewichte der Welt ab, mal mit roter, mal mit blauer Krawatte. Die Superbösewichte aber sind die wahren Charaktere und Konstanten dieses Kampfes: verwirrter Diktator, der, mit einem Al Capone Hut auf dem Kopf, Freudensalven in den Himmel von Bagdad abgibt, verwirrter Diktator mit einem Faible für Pornosonnenbrillen und Atombomben, der seine Generäle gern mit absurd überdimensionierten Orden behängen lässt, verwirrter Diktator ohne Abneigung gegen ballonseidene Trainingsanzüge, dafür mit einer ungesunden Resistenz gegen den Trend zum Nichtrauchen ausgestattet.
Wenn eines Tages die Bilder vom Tod des letzten Bösewichts (wie auch immer: Erhängen, Köpfen, Vierteilen, Kreuzigen) über den Äther gesendet wurden, was werden die Guten dann machen? Was ist das Ziel all dieser Demokratisierungsversuche, so könnte man fragen. Oder anders gefragt: Was macht John McClane, wenn er eines Tages den letzten Schurken dingfest gemacht hat und in Pension geschickt wird?
Die Antwort für den Filmhelden kann man praktisch nur durch Negation finden: Alles, was er in einer anderen Zeit gemacht hätte, was in der heutigen Zeit aber nicht mehr geht, also Großwildjagden in Kenia, Großwildjagden in Simbabwe, Großwildjagden in Botswana. Übrig bleibt dann nur noch, sich als impotenter Rentner mit dem Space Shuttle ins All schießen zu lassen.
Doch was macht die Gesellschaft, wenn ihr die Bösewichter ausgegangen sind? Hieße es dann womöglich nicht mehr Amerika gegen das Böse, sondern gute Amerikaner gegen böse Amerikaner? Die Frage ist nur, wer der Böse sein will, oder ob es nicht vielmehr die Verwendung der Unterscheidung gut/böse an sich ist, die das Böse vorstellt.
Die andere Möglichkeit besteht naturgemäß im „Die Hard“- Szenario: Aus einem Dolce & Gabbana – Ei schlüpft ein charakterloser Streber, der tatsächlich nichts Besseres zu tun hat, als sich über seine verkorkste Karriere zu ärgern und daraufhin anfängt zu toben wie Käpt’n Iglo wenn ihm die Piraten seinen goldgelben Alaskaseelachs in knuspriger Panade stibitzen. Die Botschaft von „Die Hard 4.0“ lautet also in ihrer dekonstruierten Form: Wenn es langweilig wird (postmodernes Ende der Geschichte) werden gelackte Spießer auf den Plan treten und aberwitzige Kriminalfälle mittels Internet anleiern. Hoffentlich ist dann noch jemand da, der einen Kampfjet mit einem Ziegelstein vom Himmel holen kann…

m Benz

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