Bingo! Bingo! Bingo

Man kann es ohne weiteres schaffen, über Jahre hinweg in einer übervollen U35 zur Uni zu fahren, ohne auch nur ein interessantes Gespräch zu Ohren zu bekommen. Wie bekommen es 30.000 Studenten (wie immer sind gemeint: Männer und Frauen) hin, sich so zu verabreden, dass sie alle denselben Stuss reden?

Apodiktiker von Verschwörungstheorien werden bevorzugt Erklärungen entwickeln, die eine gemeinsame Quelle für die immergleichen Gespräche annehmen. Zu denken wäre zunächst an eine Art Truman-Show Hypothese; man selbst ist der Hauptdarsteller einer Fernsehshow, in der die Dialoge der Statisten über Jahre hinweg stets von denselben ausgebrannten Alkoholikern im Autorenteam kurz vor Beginn der Sendungsaufzeichnung zusammengeschmiert werden. Das würde zudem die absurden Szenen bei Besteigung der U-Bahn erklären, deren Unterhaltungswert sich mittels Gedränge und anschließendem Gefluche vom zuerst-aussteigen-lassen-und-dann-einsteigen über Jahre konstant auf einem stabilen, wenn auch niedrigen Niveau eingependelt hat.
Anhänger von eher dezentral ansetzenden Theorien werden hingegen eher andere Erklärungen bevorzugen und das steuernde Element in einer Art Transintentionalität suchen wollen. Diese Leute werden also nicht eine zentrale Instanz (völlig fertige Dialogschreiber) im Hintergrund annehmen müssen, um einen kollektiv fatalen Effekt (völlig fertige Dialoge in U-Bahngesprächen) zu erklären, sondern auf die Selbststeuerungsfähigkeit des Marktes (für dämliche Gespräche) oder dergleichen durch Entscheidungsfähigkeit der einzelnen Teilnehmer bauen. Nur kann man dann hier sehen, dass der Markt eben auch versagen kann. So wie im Grunde niemand die schmierige JA!-Fleischwurst mit dem Siegerlächeln wollen kann und es sie trotzdem gibt, so werden auch diese Gespräche in der U-Bahn geführt, die kein Mensch (zuweilen ist man versucht zu sagen: inklusive Gesprächspartner) hören will. Rettung versprechen diverse Musikabspielgeräte, aber auch Gewalt könnte eine Lösung sein.
Welche Theorie man auch immer zur Erklärung des Phänomens nerviges U-Bahngesprächs heranziehen will, Fakt bleibt, dass diese Gespräche geführt werden, oder doch zumindest von anderer Seite immer wieder auf die niedrige Bandbreite von Themen und Beiträgen in diesen Gesprächen hingewiesen wird. Wie kann man dennoch gewinnbringend mit dem Phänomen umgehen? Wie sich die Vorhersehbarkeit der ewigen Litaneien dieser Gespräche von Bachelor und Master, Auslandsaufenthalt und BaföG-Antrag, Creditpoints und Zwischenprüfung, Prag und Barcelona, Referatspanik und Toilettenekel usw. usf. zu Nutze machen? Hier eine Lösung: Spiel und Spaß. Einfach die unten abgedruckte Tabelle ausschneiden (Bastelschere befindet sich in jeder Tasche von Teilnehmerinnen des Kurses „Pädagogisches Basteln mit Transparenzpapier III: gotische Martinslaternen und fraktale Fensterbilder“) und in jedes leere Feld eine in den U-Bahngesprächen der kommenden Woche erwartete Phrase eintragen. Wer einen Treffer erzielt (blonde, dralle Medizinstudentin plappert tatsächlich die ganze Fahrt vom Hauptbahnhof bis zur Uni von ihrem anstehenden PHYSIKUM und das Wort PHYSIKUM steht in einem der Felder der erwarteten Nervgesprächsthemen), darf die getroffen Phrase durchstreichen. Wer fünf Phrasen in einer Reihe (waagerecht, senkrecht und diagonal) trifft, „hat“ Bingo. Der (und wie immer natürlich auch gemeint: sie) Glückliche ist dann dazu aufgerufen, ein kleines Freudentänzchen aufzuführen und wie ein Derwisch durch die U-Bahn zu wirbeln und immer wieder „Bingo!“ zu schreien, respektive zu kreischen. Er (ja: auch sie) kann aber auch das Phrasenbingozettelchen einfach an die bsz-Redaktion schicken und so an einem wundervollen Preisausschreiben teilnehmen. Dem Gewinner winken hauchzarte Streicheleinheiten, verabreicht durch unseren Leserbriefonkel Pauli persönlich. Einfach Name und E-Mailadresse irgendwo drauf kritzeln und ab die Post. Für alle Schwerverstehenden hier noch eine kleine erläuternde Beispielskizze gewinnender „Bingos“: Es gewinnen alle beige hinterlegten Kombinationen.
Benz
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