Bild: Initiative „Pro Lennershof“: Seit mehr als fünf Jahren aktiv., Bezirksvertretung Bochum Süd lehnt Campus-Quartier-Pläne einstimmig ab – Grüne halten im Ratsausschuss dagegen Foto: USch

Ein Gespenst geht seit nunmehr sechs Jahren um in Bochum-Querenburg; während die Ruhr-Universität mit dem „Gesundheitscampus“ nach Westen expandiert, soll im Rahmen des „Masterplans Universität-Stadt“ auch östlich der RUB mit dem „Campus-Quartier Lennershof“ ein großes Areal für „universitäre Einrichtungen“ erschlossen und dabei auf bestehende Siedlungsstrukturen kaum Rücksicht genommen werden (die :bsz berichtete). Gegenüber den ein- bis zweigeschossigen Wohngebäude im Plangebiet, die laut Bebauungsplan „nicht mehr den aktuellen Wohnbedürfnissen“ entsprechen, wird durchschnittlich eine doppelte Geschosshöhe angestrebt. Zudem sollen Bürogebäude und sogar ein Hotel für GastdozentInnen („Boarding House“) in dem Wohngebiet angesiedelt werden, wenn es nach den ursprünglichen Plänen des Investors VBW (Verein für Bauen und Wohnen) sowie der Stadtverwaltung ginge. Doch aktuell erhielt die Planung einen nachhaltigen Dämpfer: Bezirksvertretung und Planungsausschuss legten das Ganze einstweilen auf Eis, während ausgerechnet ein Ausschussmitglied der Grünen, Martina Foltys-Banning (zugleich Mitglied im VBW-Aufsichtsrat) an der Planung festhalten will.

Die anwesenden LennershöferInnen atmeten bei der jüngsten Sitzung der Bezirksvertretung (BV) Bochum Süd erleichtert auf: Einstimmig sprachen sich die BezirksvertreterInnen am 4. November 2014 gegen den Baubauungsplan der Stadtverwaltung aus. Auch im Ausschuss für Planung und Grundstücke wurde der  Tagesordnungspunkt auf unbestimmte Zeit verschoben. Der VBW, Investor und Eigentümer des rund 2,1 Hektar großen Areals zwischen Ruhr-Uni und Fachhochschule Bochum, sowie die Stadtverwaltung sind nunmehr beauftragt, das Konzept abermals zu überarbeiten. Zahlreiche während der Auslegung des Bebauungsplanes im Sommer 2013 eingegangene „Anregungen und Einwendungen“ der BürgerInnen führten laut Beschlussvorlage der Verwaltung „nicht zu einer Änderung des Bebauungsplanes“, sagt Lennershof-Bewohner Gerhard Merkens. „Die vielfältigen Einwendungen der Anwohner sind im Verfahren so gut wie nicht berücksichtigt worden“, bestätigt auch der als Bausachverständiger tätige Diplomingenieur Martin Knauber auf Anfrage der :bsz. Dies dürfte sicherlich ein Grund für die einhellige Ablehnung des Entwurfs seitens der BezirkspolitikerInnen sein.

SPD lenkt ein

Nun ist zu hoffen, dass die nach ersten BürgerInnenversammlungen 2009 und einem Moderationsverfahren 2011 sowie der Planauslegung 2013 nunmehr vierte Option einer Einbeziehung der BürgerInnen tatsächlich dazu führt, dass „eine weniger dichte Bebauung“ durchgesetzt und „eine für den Lennershof verträgliche Lösung“ gefunden wird, sagt Merkens, der wie Knauber auch im Kreise der Bürgerinitiative „Pro Lennershof“ aktiv ist. „Wir sind von den aktuellen Entwicklungen auch überrascht worden“, ergänzt Knauber. Treibende Kraft beim politischen Umschwenken seien offensichtlich die SozialdemokratInnen: „Die SPD ist inzwischen nach eigener Aussage zur Erkenntnis gelangt, dass die bisher verfolgte Planung doch nicht optimal ist (…). Nach Aussage der Bürgermeisterin Gabi Schäfer soll ein neues Konzept in Ruhe zusammen mit der VBW entwickelt werden.“ Die CDU hatte sich schon vor über einem Jahr gegen die Planungen positioniert. Auch RUB-Rektor Elmar Weiler distanzierte sich zuletzt zunehmend von den Planungen, da kein Bedarf mehr an Gewerbeflächen, sondern nur noch an Wohnraum für MitarbeiterInnen gesehen werde.  

Gewerbe im Wohngebiet vom Tisch?

Seit die Planungen 2008 begannen und zwischenzeitlich schon mit dem Abriss einzelner Gebäude in der ehemaligen Bergmannssiedlung aus den 50er Jahren begonnen wurde, gibt es nun wieder Hoffnung, auch eine angestrebte „Mischnutzung“ aus Wohnen und Gewerbe abzuwenden, die für einen Teil der Siedlung durchgesetzt werden sollte: „Wir hoffen natürlich alle, dass die geplanten Büros und was sonst auch immer für ein Gewerbe da rein sollte, jetzt ganz vom Tisch sind“, macht Merkens den übrigen Lennershof-BewohnerInnen Mut. „Zu den neuen Plänen muss sich die VBW jetzt erst einmal neu ‚positionieren‘“, ist er überzeugt. „Dann werden hoffentlich auch die Lennershöfer früh genug mit einbezogen.“ Seine Vision für die Zukunft ist grün: „Es wäre schön, auch für neue Bürgerinnen und Bürger, die einmal hier im Lennershof leben wollen, wenn der Gartenstadt-Charakter dieser lebens- und liebenswerten Siedlung erhalten bleiben würde.“ Dies sieht ausgerechnet Grünen-Politikerin Foltys-Banning jedoch anders: „Das in enger Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort erarbeitete Quartierskonzept muss unbedingt weiterverfolgt werden.“

Grüne hält fest am Campus-Quartier

Auch wenn der Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan Campus-Quartier Lennershof im Ausschuss für Planung und Grundstücke am 4. November 2014 von der Tagesordnung genommen wurde, halten die Grünen am umstrittenen Konzept der Quartiersentwicklung an diesem Standort fest und der begonnene Weg solle weitergegangen werden: „In dieser attraktiven und – besonders mit dem ÖPNV – gut erschlossenen Lage ist eine angemessene Verdichtung mit Geschosswohnungsbau genau das richtige Angebot“, so Foltys-Banning. „Wir müssen auf veränderte Wohnbedürfnisse der Bevölkerung und den demographischen Wandel reagieren, innovative Wohnformen und flexible Wohngrundrisse möglich machen. Nicht alle Familien mit Kindern suchen ihr Glück im Einfamilienhaus“, ist die Grünen-Vertreterin in der BV Süd sowie im VBW-Aufsichtsrat überzeugt und hält ein „gemischtes Konzept mit einer gesunden Mischung aus Wohnen und Arbeiten, das auf die verschiedenen Lebensentwürfe und Lebensphasen der Menschen zu reagieren vermag“ für „besonders nachhaltig“.

Linke für soziales Miteinander statt Kahlschlag

„In der Lennershof-Siedlung existiert das, was eine vernünftige Stadtplanung eigentlich anstrebt“, sagt Can Duman, Vertreter der Linken in der Bezirksvertretung Süd. „Hier gibt es ebenso Platz für Menschen, die auf sozialen Wohnungsbau angewiesen sind wie für Leute, die sich ein Eigenheim leisten können“, beschreibt der Linken-Bezirksvertreter die Situation vor Ort. Zudem sind hier neuerdings auch zwölf Flüchtlingsfamilien in Wohnungen zuhause, die eigentlich bereits hätten abgerissen werden sollen, wenn es nach der nun abermals aufgeschobenen Planung gegangen wäre. „Die Siedlung muss so weiter entwickelt werden, dass diese Errungenschaften gestärkt und nicht zerstört werden“, fordert Can Duman und ist überzeugt: „Der Bebauungsplan setzt völlig falsche Zeichen, wenn stattdessen Gewerbeflächen und hohe Gebäude entstehen und in den Neubauten ausdrücklich keine Familien gewollt sind.“

BürgerInnen bleiben wachsam

Für Gerhard Merkens wäre vor allem die dichte und sehr hohe Bebauung und der damit verbundene Kahlschlag von circa 90 Bäumen untragbar. Der Lennershöfer befürchtet zudem, dass „die Versiegelung der kompletten Fläche wie bei den vergangenen Unwettern wahrscheinlich zu Überschwemmungen der ganzen Siedlung führen“ würde. Auch das seitens der Stadt vorgelegte Verkehrskonzept sei „wegen großer Mängel nicht haltbar und müsste auf jeden Fall komplett neu überarbeitet werden“. Insgesamt hätten die Lennershof-BewohnerInnen bei der Umsetzung der Planung erhebliche ideelle und materielle Verluste erlitten: „Wenn die Bebauung, so wie ursprünglich geplant, ausgeführt worden wäre, hätten unsere direkten Anliegergrundstücke erheblich an Wert verloren. Wer guckt schon gerne vom kleinen Garten direkt auf eine etwa 14 Meter hohe durchgehende Häuser-Schlange?“ Diese hätte zwischen der Straße Im Schebbruch nahe der U-35-Haltestelle Lennershof und dem ID-Gebäude der Ruhr-Uni entstehen sollen. „Der Widerstand der Betroffenen ist ungebrochen!“, legt Merkens nach. Die Initiative „Pro Lennershof“ ist einerseits froh, „dass die Planungen in der bisher vorgelegten Form erstmal vom Tisch sind“, resümmiert Martin Knauber. Doch wäre es zu früh für Euphorie: „Wir werden weiterhin sehr aufmerksam sein und trauen den Zusicherungen der Politik auf eine neue Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei zukünftigen neuen Planungen noch nicht über den Weg.“

 

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