Bild: Von links nach rechts: Übersetzerin Maria Wolf, Autorin Olga Tokarczuk und Moderator Bernhard Hartmann. , Olga Tokarczuk liest im Bochumer Kunstmuseum Foto: lor

Das Datum scheint gut gewählt: Einen Tag nach dem polnischen Unabhängigkeitstag und fünf nach der US-Wahl lud der Verein OstWest e. V. am vergangenen Samstagabend mit Unterstützung der Fachschaft Slavistik/Russische Kultur zu einer Lesung mit Olga Tokarczuk und der Übersetzerin Maria Wolf zum Thema: „Gegen die Angst – Literatur in Europa heute“. Musikalisch begleitet wurde der Abend von Arek Błeszyński und Krzysztof Kozielski.

Die Angst grassiert in Polen, Europa, auf der Welt: Doch welches Mittel gibt es gegen PopulistInnen, die überall die Furcht der Menschen für ihre eigenen Zwecke nutzen? Olga Tokarczuk, die aus ihrem neuesten Buch „Księgi Jakubowe“ (dt.: Jakobsbücher) las und aus der deutschen Übersetzung von Maria Wolf lesen ließ, hat darauf eine klare Antwort: Literatur. Ihr Roman, welcher im ausgehenden 18. Jahrhundert spielt, thematisiert die damalige Adelsrepublik Polen-Litauen und den Aufstand der FrankistInnen, einer antitalmudischen und messianischen Bewegung osteuropäischer Juden und Jüdinnen. 

Woher kommt die Angst?

Die Sujets Nationalismus und die Furcht vor dem Fremdem aus dem Buch können mühelos auf die heutige Zeit übertragen werden. 

Die Autorin, die am Anfang ihrer Karriere als Psychologin gearbeitet hat, sieht vor allem in drei Dingen die Ursachen für die Angst in Europa: Die fehlende Fähigkeit, das Gesamtbild anstelle vieler kleiner Fragmente sehen zu können, die chaosstiftenden Medien, die bei der Ordnung der Fragmente nicht helfen, sowie der Triumph des Neoliberalismus und der daraus resultierende Populismus.

Für Tokarczuk ist am Ende des Abends die Rolle der Literatur klar: Sie hilft gegen Angst, denn sie macht das Fremde, Unbekannte begreiflich: „Solange wir schreiben und lesen, sind wir zusammen.“ Nur Literatur ermögliche Einblicke in andere Menschen. Wie Tokarczuk selbst in „Jakobsbücher“ schreibt: „Der Mensch ist nicht böse.“ 

:Andrea Lorenz

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