Bild: Hält am BeamtInnentum fest: Bundesinnenminister Thomas de Maizière, hier bei der Begutachtung neuer BeamtInnen. , Das Bundesverfassungsgericht befasst sich mit dem Streikrecht für BeamtInnen Symbolbild: Wolfgang Kumm/ CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

Kommentar. Das Bundesverfassungsgericht muss sich mit der Frage beschäftigen, ob verbeamtete LehrerInnen streiken dürfen. Was in anderen Ländern Europas problemlos möglich ist, ist in der BRD verboten. Dabei ist das BeamtInnentum per se ein altertümliches Relikt.

Auch wenn der gemeine deutsche Arbeitskampf nur selten über Warnstreiks hinausgeht und die Streitlust der Gewerkschaften in vielen Fällen schnell abflaut, ist das Streikrecht ein hohes Gut. Leider kommt es nur Angestellten zugute, BeamtInnen sind davon ausgenommen – der Grund ist simpel wie überholt: BeamtInnen stehen in einem besonderen Treueverhältnis zum Staat und müssen so ihr Bestes geben, die öffentliche (deutsche) Ordnung nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Dass die 

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der gewerkschaftliche Dachverband DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) in dieser Regelung eine Ungleichheit vor dem Gesetz sehen, ist aufgrund der Gesetzgebung der Europäischen Union kaum verwunderlich. Dort heißt es nämlich, dass die für gewerkschaftliche Arbeit so wichtige Koalitionsfreiheit und das damit verbundene Streikrecht auch für BeamtInnen gelten muss, außer diese üben hoheitliche Aufgaben aus. Gemeint sind Mitglieder von Polizei, Streikkräften und Justiz. Zwar ist der Lehrberuf von besonderer Wichtigkeit und Bedeutung für die Gesellschaft, doch von einer hoheitlichen Aufgabe kann nicht gesprochen werden. Ein Streikrecht für verbeamtete LehrerInnen ist dementsprechend notwendig.  

Auslaufmodell BeamtInnenlaufbahn

Mit der Frage des Streikrechts für verbeamtete Lehrkräfte geht auch die Frage einher, wie es um dieses Recht bei BeamtInnen in längst privatisierten Betrieben wie der Post oder der Telekom steht. Und noch viel wichtiger ist die Frage, ob die BeamtInnenlaufbahn nicht eigentlich ein Auslaufmodell darstellt. Dieses Relikt preußischer Könige, das Menschen in ein enormes Abhängigkeitsverhältnis zum Staat versetzt und sie davon ausgehend grundlegender Menschenrechte beraubt, ist im 21. Jahrhundert zumindest kritisch zu betrachten. Die einstigen DienerInnen der Landherren sind heutzutage kaum etwas anderes, nur dass sie dem (Gesamt)Staat dienen müssen.
Natürlich können gewisse Aufgaben, die tatsächlich zur allgemeinen Ordnung des Zusammenlebens unabdingbar sind, nicht von Privatunternehmen bewältigt werden und natürlich müssen beispielsweise Polizei und Justiz an die Normen und Regeln des Staates, für dessen Schutz sie einstehen, gebunden sein. Doch die mit dem BeamtInnentum verbundene Ungleichheit, nicht nur in LehrerInnenzimmern, zeigt auf, dass dieses antiquierte System des BerufsbeamtInnentums keine Zukunft haben kann.

Wege aus dem Staatsdienst

Doch den Ruf nach Abschaffung des BeamtInnentums darf nicht als Wille zur Privatisierung und Prekarisierung missverstanden werden. Viel wichtiger ist es, grundlegende Ungleichheit zwischen verbeamteten ArbeitnehmerInnen und ihren nicht verbeamteten KollegInnen abzubauen. Dass dies funktionieren kann, beweist die Schweiz seit fast zwei Jahrzehnten: Nur noch PolizistInnen, FinanzbeamtInnen und RichterInnen haben den BeamtInnenstatus inne, gerechte Beschäftigungsverhältnisse der übrigen ehemaligen BeamtInnen machen es möglich und sinnvoll. Über eine Reformierung auch in Deutschland muss dringend debattiert werden.

:Justinian L. Mantoan

 

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