Forschung. Dass depressive Phasen das Erinnerungsvermögen akut angreifen, war bekannt. RUB-ForscherInnen haben nun entdeckt, dass auch alte Erinnerungen betroffen sind.

Schlechte Erinnerungen an akute Ereignisse während einer depressiven Phase sind ein lange bekanntes Symptom einer Depressionserkrankung. Ein Team aus WissenschaftlerInnen rund um Prof. Sen Cheng konnte nun beweisen, dass auch alte Erinnerungen betroffen sein können. Wie weit solche Gedächtnisprobleme zurückreichen, hänge von der Dauer der depressiven Phase ab. Die am 7. Juni erstveröffentlichte Studie basiert auf Berechnungen eines im Computer entworfenen, virtuellen Gehirns. Bei der Erforschung stehen die WissenschaftlerInnen vor dem Problem, dass die Erinnerungslücken nach Abklingen der depressiven Phase ebenfalls wieder verschwinden, weshalb eine Simulation mittels Computer notwendig war. Bei der Entwicklung des Modells legt das ForscherInnenteam besonderes Augenmerk auf die Vergleichbarkeit des Modells mit echten Gehirnen depressiver Menschen. Wie ein echtes Gehirn ist auch das Modell in der Lage, sich neue Dinge einzuprägen und bereits gespeicherte Erinnerungen abzurufen. Anders als in weniger komplexen Modellen ist es auch möglich, die modellierten Erinnerungen als Abfolge von Aktivitätsmustern zu speichern, um realitätsgetreue Ergebnisse zu liefern.

Große Auswirkungen 

Wie erwartet, konnte das Modell Erinnerungen genauer abrufen, wenn im entsprechenden Teil des Gehirns neue Nervenzellen gebildet wurden. Da während einer depressiven Phase die Bildung dieser Zellen nur langsam voran geht, fällt es zunehmend schwer, die Erinnerungen abzurufen. Neben diesen Schwierigkeiten, die aktuelle Erinnerungen betreffen, fiel es dem Modell schwer, auf Erinnerungen zurückzugreifen, die vor der simulierten depressiven Phase entstanden sind. Je länger eine solche Phase andauert, desto früher entstandene Erinnerungen waren von den Problemen betroffen.

„Wenn unser Modell recht hat, hätten Depressionen weitreichendere Konsequenzen. Alte Erinnerungen könnten bleibend geschädigt werden, selbst wenn die Depression bereits abgeklungen ist“, resümiert Prof. Cheng.

:Justinian L. Mantoan