„Niemand denkt bisher an die Designer“, sagt Piotr Milewski von Sirius Game Studios, deren Stand durch seine Unauffälligkeit aus dem Rahmen fällt. Wo andere Messeauftritte durch großflächiges Artwork, überfrachtete Auslagen und kostümiertes Verkaufspersonal punkten wollen, stehen bei Sirius nur schlichte rote und weiße Regale mit Blankoboxen und unbedruckten Schablonen darin und darauf. Das minimalistische Farbschema durchbrechen die kunterbunten Spielsteine, von denen ein paar Handvoll auf dem Tresen verstreut liegen. Das Gros der Holzwürfel und -zylinder, Häuschen und Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Figuren ist wie Süßigkeiten in einer Schüssel angerichtet.

Spielsteine, Marker, Pappkärtchen: Was das SpieldesignerInnenherz begehrt. Foto: joopSirius’ Sortiment soll SpielentwicklerInnen unter die Arme greifen, ihnen Rohmaterial für die eigenen Games geben. „Es gab einfach keine Möglichkeit, einen Prototypen von einem Spiel zu machen, und wenn man es dann dem Publisher schickt, sieht es scheiße aus“, sagt Milewski aus eigener Erfahrung als Spieldesigner. „Wir dachten uns, es  gibt sicher eine Menge Designer mit dem gleichen Problem.“

Also stieß Sirius in die ausgemachte Marktlücke, investierte mit seinen KollegInnen Erspartes, um Rohmaterial einzukaufen und produzieren zu lassen. Mit zehn Grunddesigns an Kartons, vorgestanzten Pappkarten und Dutzenden, verschiedenfarbiger Spielfiguren und Tokens ging es zur SPIEL, mit einer positiven Resonanz: „Die Leute lieben die Idee und auch die Designer haben angebissen.“

Groß und Klein setzt auf die Crowd

Es könnte sein, dass Unternehmen wie Sirius mit ihrem Angebot voll ins Schwarze treffen im viel beschworenen goldenen Zeitalter der Brettspiele, das die Branche gerade erlebt. Dies verdankt sie nicht zuletzt dem Katalysator von Crowdfunding-Plattformen wie Startnext, Indiegogo oder Kickstarter. „Das ist heute der Ort, um ein Brett-, Karten- oder Miniaturenspiel auf den Markt zu bringen“, sagt Luke Crane, Head of Games bei Kickstarter, der überall auf der Messe Leute trifft, die für ihre Spielefinanzierung den Schwarm nutzen. „Entweder haben sie ein Crowdfunding gemacht, machen es genau jetzt oder planen eines für die Zukunft.“

Auch große Verlage haben Kickstarter für sich entdeckt, und werben sogar damit. Foto: joopDieser Eindruck trügt nicht – auf den Internationalen Spieltagen in Essen, die am Sonntag zu Ende gingen, wimmelte es von schwarmfinanzierten Titeln. Die satirische Wirtschaftssimulation „Euro Crisis“ und das anspruchsvoll gestaltete spanische Rollen- und Kartenspiel „Faith“ (siehe unten) nutzten Crowdfunding, ebenso wie es aktuell die Runequest Gesellschaft e.V. tut, die die sechste Runequest-Edition ins Deutsche übersetzen will. Auf der Messe war das Projekt noch in der Fan-Phase, um genug Interessierte zu finden, bevor es in die Funding-Phase gehen kann.

Oft sind es Kleinverlage, viele davon neu gegründet, die ihre Erstlinge online finanziert haben. Aber auch große Verlage nutzen Crowdfunding-Plattformen, um Erweiterungen oder Übersetzungen zu finanzieren, und zu testen, wie hoch die Nachfrage für ein Spiel überhaupt ist. „Man kommt in direkten Kontakt mit der Fanbase“, sagt Crane. „Es ist eine gute Lösung für jeden, für Schöpfer jeder Größe.“

Rundumbetreuung für DesignerInnen

Wen aber das finanzielle Risiko und die Herausforderungen bei der Betreuung einer Crowdfunding-Kampagne abschrecken, kann sich professionelle Hilfe holen, zum Beispiel bei der Spieleschmiede. Die übernimmt vor allem sehr spezielle Spiele, die es schwer haben, Verleger zu finden, weil diese mit zu geringen Auflagen rechnen. Die Spieleschmiede bietet den GamedesignerInnen, mit denen sie einen Vertrag abschließt, die vollständige logistische Betreuung von Crowdfunding-Kampagnen von der Erstellung der Projektseiten bis zum Versand, und unterstützt mit professionellem Marketing und PR. 

Die Erfolgsquote von mithilfe der Spieleschmiede produzierten Games liegt zudem mit 90 Prozent weit über der Quote aller Spiele, die versuchen sich per Crowdfunding zu finanzieren. Dass sich die Spieleschmiede im Gegenzug für die Rundumbetreuung auch an den Einnahmen beteiligen lässt, verwundert da nicht. Es bleibt allen DesignerInnen selbst überlassen, ob so ein Angebot für sie sinnvoll ist oder sie doch alles selbst stemmen wollen.

:Johannes Opfermann

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