Bild: „Wenn wir Glück haben, dann löst es uns ganz auf“- von Meret König und Carla Wyrsch im Schaubüdchen. , Auch diesen Sommer gab es Festivals Bild: gust

Reportage. Anfang September fand das ZeitZeug_Festival zum 19. mal statt – und das sogar live und in Farbe!

 

Habitat – das ist unser Lebensraum, unser Zuhause, unsere Heimat. Das Habitat ist der Ort, an dem wir sein können und dürfen, den wir nach unseren Vorlieben und Bedürfnissen gestalten. Unser Habitat ist geprägt von kulturellen, sozialen und politischen Faktoren. Jede:r von uns definiert und lebt das eigene Habitat anders, doch trotz dieses persönlichen Bezugs kann das Habitat auch ein kollektiver Ort sein.
Habitat – das war das diesjährige Motto des ZeitZeug_Festival 2021, das vom 9. – 12. September in Präsenz stattfand. Das ZeitZeug_Festival, früher bekannt als das megaFon Theaterfestival, bespielt seit 2002 die Bochumer Bühnen. Doch nach zwanzig Jahren verändert sich einiges, so wie 2013 der Name des Festivals. Früher war das Festival bekannt als ein studentisch organisiertes Theaterfestival, das jungen Kunstschaffenden eine Bühne bieten möchte, die kurz vorm Durchbruch stehen. Doch über die Jahre ist das ZeitZeug_ interdisziplinärer geworden und obwohl der Bezug zur Ruhr-Universität geblieben ist, war das Festival zumindest dieses Jahr nicht nur studentisch organisiert.

Die Vielfältigkeit des Festivals war nicht nur von den künstlerischen Umsetzungen der Kunstschaffenden geprägt, auch das Programm deckte ein breites Themenfeld ab. Neben den üblichen Theateraufführungen gab es Tanzperformances, Ausstellungen, Workshops, Vorträge und Musik. Alle Teilnehmenden beschäftigten sich mit einem anderen Aspekt des Habitats – von Hausbesetzungen zu Fitnessstudios, Prostitution und Reanimationstrainings bis hin zu Gerüchen und wie sie uns und unsere Wahrnehmung beeinflussen. Neben dem Zuschauen konnte man auch bei den Vorträgen gut zuhören – es ging um Themen wie Gender Geografien, das Ruhrgebiet als Habitat, Fair Fashion und den queeren Habitaten der Homosexuellen Aktionsgruppe Bochum (HAG). Wem zuschauen und zuhören nicht gereicht hat, konnte auch bei einem Workshop über den Körper als Habitat mitmachen.

Passend zum diesjährigen Motto bewegte sich das ZeitZeug_ weg von den typischen Theaterbühnen. Auch die Festivalorte passten sich dem Motto an und zeugten von habitat‘scher Diversität. Beispielsweise fand die Performance „Wenn wir Glück haben, dann löst es uns ganz auf“ von Meret König und Carla Wyrsch im Schaubüdchen, einem kleinen ehemaligen Kiosk, statt. Auch nutzte Matthias Theis den Platz der KulturUhle, einer ehemaligen Gaststätte mitten in der Bochumer Innenstadt, voll aus und platzierte seine Ausstellung „Oma und Opa wohnen auf der Aachenerstrasse“ in der ehemaligen Theke. Die urige Atmosphäre des Raumes verstärkte seine Arbeit, die sich mit queeren Identitäten im ländlichen Kontext beschäftigt. Ländlich wurde es auch in der Theaterperformance „Nor. Vom Kirchturm kann man die Zugspitze sehen“, die sich mit den verschiedenen Facetten des Dorflebens auseinandersetzt. 

Das Umdenken der Nutzung von typischen Räumen war das Ziel des Festivals, aber gleichzeitig auch eine Herausforderung. Dass Kulturveranstaltungen während der Pandemie leiden, ist nichts neues, aber auch unsere Habitate verändert sie. Dass nach fast einundhalb Jahren Pandemie wieder kulturelle Präsenzveranstaltungen möglich sind, hat unseren Umgang mit Veranstaltungen und mit Kunst verändert. Die Grenzen zwischen dem Digitalen und Realen verschwinden weiter und kommende Kulturveranstaltungen begeben sich auf einen Umgang mit neuen Habitaten – Habitate, mit denen sich das ZeitZeug_Festival 2021 befasst hat. 

                        :Augustina Berger

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