Bild: Nebel über den Straßen: Während manche die Melancholie des Winters sogar mögen, bedeutet sie für andere deutliche Einschränkungen im Alltag., Turn on the lights: Mit Lampen gegen die Lichtmangel-Depression Foto: mb

Spätestens nach der Zeitumstellung im Oktober merken wir es alle: Die Tage werden erheblich kürzer. Mit etwas Pech betreten und verlassen wir den Campus, wenn es noch oder schon wieder dunkel ist. Manche Menschen sind in den Herbst- und Wintermonaten darüber hinaus jedoch besonders antriebslos – die saisonale Depression ist weder Einbildung noch extrem selten. Doch glücklicherweise müssen Betroffene nicht auf Antidepressiva zurückgreifen. ExpertInnen empfehlen stattdessen ganz viel Licht.

„Sie ist traurig, die Jahreszeit, in der wir stehen: Man glaubt, das Leben will mit der Sonne verscheiden. Ein Frösteln zieht ins Herz, wie über den Leib. Alle Laute ersterben. Der Horizont wird blaß; alles will schlafen, vergehen.“ So beschreibt der französische Schriftsteller Gustave Flaubert den tristen November – düster, hoffnungslos, matt und irgendwie tot. Ähnlich fühlen sich vermutlich auch jene Menschen, die sich mit einer Winterdepression durch die kalten, dunklen Monate schleppen müssen.

Nur ein bisschen Melancholia?

Im ICD-10, dem medizinischen Klassifikationssystem für Diagnosen, ist die sogenannte saisonal-affektive Störung eine Sonderform der wiederkehrenden depressiven Störungen, da sie tatsächlich von den Jahreszeiten abhängig ist. Die Betroffenen haben das ganze Jahr über keine psychischen Beschwerden, erleben aber im Winter depressionsähnliche Symptome, die meistens im Januar am schlimmsten sind. Sie fühlen sich niedergeschlagen, freud- und hoffnungslos und kämpfen tagtäglich mit starker Müdigkeit. Dabei haben sie entweder große Schwierigkeiten, morgens aufzustehen, oder würden am liebsten bereits spätnachmittags ins Bett fallen. Weit verbreitet ist auch der Heißhunger auf Kohlenhydrate und Süßigkeiten sowie der Wunsch nach sozialem Rückzug. Als Ursache all dessen vermuten ForscherInnen, dass der winterliche Lichtmangel den biologischen Tagesrhythmus des Körpers durcheinander bringt.

Sobald die Symptome deutlich beeinträchtigend und belastend sind, wird aus einem mehr oder weniger harmlosen Winterblues eine ernstzunehmende saisonale Depression, die der Behandlung bedarf. Wie häufig diese in Deutschland auftritt, ist schwer zu sagen, da bis jetzt lediglich Statistiken aus den USA vorliegen: Dort schwanken die Schätzungen zwischen vier und 18 Prozent der Bevölkerung, wobei Frauen eindeutig häufiger von der Symptomatik betroffen sind.

Je dunkler der Tag, desto düsterer die Stimmung

Besonders in den nördlichen Breitengraden ist die Winterdepression sehr verbreitet. Daher bietet die nördlichste Universität der Welt im norwegischen Tromsø einen recht ungewöhnlichen Service an: In den Wintermonaten, an denen es über dem Polarkreis den ganzen Tag über stockfinster ist, können Studierende vor ihren Vorlesungen kostenfrei eine sogenannte Lichtdusche nehmen – Kaffee und Kekse gibt’s obendrauf.

„Diese wird seit ungefähr 20 Jahren zur Behandlung der Herbst-Winter-Depression eingesetzt“, berichtet Professor Siegfried Kasper, der in der 1980er Jahren selbst eine Spezialambulanz für Lichttherapie im Bonner Universitätsklinikum aufgebaut hat. Seine Empfehlung: Jeden Tag mindestens eine halbe Stunde Licht von minimum 5.000 Lux Stärke konsumieren – das entspricht ungefähr dem Zwanzigfachen einer normalen Zimmerlampe. Wer sich nicht explizit eine Lichtlampe anschaffen möchte, der kann laut dem Wiener Medizinprofessor seinen Licht-Haushalt auch auf andere Weise boosten: „Die Menschen sollten sich – insbesondere bei Sonnenlicht –  vermehrt in der freien Natur aufhalten. In Österreich fährt man zum Beispiel gerne Ski.“ Wer die Berge nicht direkt vor der Haustür hat, kann auch täglich mindestens 30 Minuten spazieren gehen. Denn selbst ein bedeckter Himmel ist heller als jegliche künstliche Lichtquelle.

:Melinda Baranyai

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