Bild: Lokalgeschichte(n) lesen Bild: mafa

Lokalliteratur. Die musikalisch-literarische Reihe „Bücher des Ruhrgebiets“ der Kammerspiele thematisiert lokale Geschichte(n) von Krieg, Kohle und Kolleg*innen.

Wenn wir Geschichten konsumieren, dann oft, um gedanklich fortzureisen. Aber: „Ich kann nur über etwas schreiben, was ich kenne“, sagte Herbert Grönemeyer mal in einem ZEIT-Interview. Er hat den „Pulsschlag aus Stahl“ so anschlussfähig beschrieben, dass seine Bochum-Hymne zu sämtlichen Gelegenheiten inbrünstig mitgeschmettert wird. Auch das Schauspielhaus bietet mit der musikalisch-literarischen Lesereihe „Bücher des Ruhrgebiets“ Poesie und Prosa über Geschichte und Lebensgefühl des Ballungsgebiets eine Bühne. Den Auftakt machte Samstag eine Ensemble-Lesung aus Ralf Rothmanns Romanen „Milch und Kohle“ (2002) und „Junges Licht“ (2006). Der Zeitgenosse Grönemeyers, der im Oberhausen der Nachkriegszeit aufwuchs, skizziert in autobiografischen Werken mit atmosphärischer Klarheit die einfachen Lebenswelten der Arbeiter*innenschicht. Das Ensemble las mit verteilten Stimmen Romanausschnitte, die manchmal ein wenig zusammenhanglos daherkamen. Ein Highlight waren dafür die Musikhits aus den 60ern wie „No Milk Today“ oder „Sixteen Tons“. Rothmanns Alltagsdarstellungen zwischen Zeche, vorpubertärer Verliebtheit und den italienischen Bergbaukollegen, deren Lebensfreude die erstarrten Gesichtszüge der Ruhrgebietler*innen auflockert, sind humoristisch. Doch von Lokalpatriotismus kann keine Rede sein; auch familiäre Entfremdung und häusliche Gewalt werden thematisiert und mittels kriegsbedingter Traumata und Verdrängung der erwachsenen Figuren wird an das historische Erbe unserer Region erinnert. So liest die Mutter des „Milch und Kohle“-Protagonisten desillusioniert aus Jesaja 53: „‚Durch seine Wunden sind wir geheilt.‘ Ist das wahr, Simon, sind wir geheilt?“ Im zweiten Teil der Reihe am 14. Dezember werden Texte von Pott-Persönlichkeiten wie Erika Runge und Werner Streletz inszeniert.

:Marlen Farina

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