Bild: Der Ruhrpott rotiert: Geile Stimmung auf dem Festival in Hünxe., Punkfels in der Grauzonen-Brandung Foto: Marc Gaertner

Wenn die Tage länger und die Nächte lauer werden, steht der Festivalsommer vor der Tür. Wiesen, Parks und Brachgelände verwandeln sich wieder in Konzertbühnen, Zeltstädte, Schauplätze dionysischen Treibens. Wer’s familiär und geldbeutelfreundlich mag, kann abseits des BesucherInnenstroms auf Ring und Co. nach Perlen tauchen. PunkrockerInnen werden unweit der Ruhr-Uni fündig.

Denn das „Ruhrpott Rodeo“ in Hünxe bei Dinslaken will am 18. und 19. Mai erneut beweisen, was in der Szene längst kein Geheimnis mehr ist: Deutschlands Punkrockherz schlägt im Revier. Kleine Bands, Mailorder, Onlinezines, Indie-Label und Musikkneipen sind der Kitt, der die Subkultur von Rhein und Ruhr zusammenhält. Fürs i-Tüpfelchen auf dem hiesigen Konzertjahr sorgt Rodeo- und „Punk im Pott“-Veranstalter Alex Schwers. Seit 2007 und immer über Pfingsten lädt er nationale wie internationale Helden der ‚Drei-Akkorde-Musik’ sozusagen zum Familientreffen – zu einer großen Party mit Bier, Bullenreiten und mehreren tausend Gästen ein. Auf der grünen Wiese, mitten im Hünxer Nirgendwo, gaben sich bereits Marky Ramone und Dead-Kennedys-Frontmann Jello Biafra die Klinke in die Hand. Die Deutschpunk-Urgesteine von Slime feierten nach 16 Jahren Bühnenabstinenz ihre Bandreunion – mit Alex an den Drums. In diesem Jahr spielen Ska-P, Mad Caddies, die Kassierer und Monsters of Liedermaching Ska-Punk, Party-Hits und Akustik-Gitarre. Für ernstere Klänge wird u. a. die exklusive Deutschland-Show der 2013 neu formierten kalifornischen Hardcore-Punk-Legenden von Black Flag sorgen. Gastgeber Alex Schwers hat mit der :bsz übers Rodeo, Projekte, seine erste Punk-Platte und die Zukunft gesprochen: 

:bsz Dein Festivalkonzept etabliert sich – die Konkurrenz schwächelt: Wird Ruhrpott Rodeo das neue Force Attack? 
Alex: Ich glaube nicht, dass es so kommt. Die beiden Festivals sind doch sehr verschieden und ich wollte auch nie ein Festival wie das Force Attack machen.

Einen tiefroten Faden lässt Dein Line Up vermissen – nach welchen Kriterien buchst Du die MusikerInnen?
Ich versuche es so zu gestalten, dass für jeden, der sich im weitesten Sinne für Punkrock interessiert, etwas dabei ist.

Was gibt’s nur beim Rodeo?
Black Flag! 

In den vergangenen Jahren sorgte man sich im Vorfeld größerer Festivals besonders um die physische Sicherheit der BesucherInnen. Aktuell wird heiß diskutiert, was im Kopf so alles schief gehen kann. Wie stehst Du zur Grauzonen-Debatte? 
Eigentlich kann ich diese Debatte nicht mehr hören, obwohl natürlich wichtig ist, dass sie geführt wird. Von mir persönlich ist dieser Kram kilometerweit entfernt und ich sehe da auch keine Schnittmenge zu dem, was ich mache. Allerdings scheiden sich an der Frage, welche Band zur Grauzone gehört, mittlerweile auch die Geister. Es gibt die absurdesten Vermutungen.  

Auf wen freust Du Dich denn am meisten? 
Auf meinen Kumpel Bernie, den ich nur einmal im Jahr beim Ruhrpott Rodeo sehe.

Du machst auch selbst Musik. Nimmt man alle Bandprojekte zusammen, an denen Du beteiligt warst, könntest Du mit diesen locker einen Festivaltag durchzocken. Was waren Deine persönlichen Höhepunke? 
Es gab viele schöne Momente: Die ersten Auftritte mit meiner Schülerband, den ersten Slime-Auftritt nach 16 Jahren beim Ruhrpott Rodeo, oder eine Woche später am Millerntor vor 30.000 Leuten. Die Tour mit Jeff Dahl, Konzerte mit Chefdenker und so weiter. Es ist schwer, da etwas rauszupicken. Ich hoffe, da kommt noch einiges!

Apropos musikalische Zukunft: Wenn nichts mehr geht, dann geht’s ins Bootcamp. Erzähl doch mal, was war da los?
Oh ja, auch das Punkrock-Bootcamp war definitiv ein Highlight meiner bisherigen Karriere. Ich bin zusammen mit vier anderen Musikern aus bekannten Punkbands für drei Wochen in eine einsame Berghütte nach Andalusien gefahren, um Songs für meine Soloplatte zu schreiben – im Gepäck ein ganzes Tonstudio. Die Aufnahmen schlummern im Moment vor sich hin und werden demnächst durch weitere Songs und Projekte ergänzt und dann hoffentlich bald veröffentlicht. Was da bis jetzt zusammengekommen ist, ist ziemlich geil. Das hat musikalisch nicht viel mit Punkrock zu tun und wird wohl Einige überraschen… Hoffe ich.

Wann, wo und wie hat eigentlich alles angefangen? 
Es müsste so 1986 mit 13 Jahren gewesen sein. Ich lag im Krankenhaus wegen eines gebrochenen Arms und hab ’ne Doku über die Sex Pistols gesehen. Als ich dann mittags eine Stunde ausgehen durfte, habe ich mir direkt bei Karstadt gegenüber die „Never mind the Bollocks“ gekauft. Als ich dann nach ein paar Tagen endlich aus dem Krankenhaus entlassen wurde und die Platte zuhause hören konnte, fand ich sie gar nicht so toll. Punk hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Die Musik der Sex Pistols war ja eigentlich total aufgeräumt, dagegen waren zum Beispiel Led Zeppelin musikalische Anarchisten. Richtig gepackt hat mich Punkrock erst, als ich Bands wie Dead Kennedys, Black Flag oder Butthole Surfers gehört habe. 

Deiner aktuellen Band Slime, gegründet 1979, wird nachgesagt, die politische Grundhaltung eines großen Teiles der deutschen Punkbewegung geprägt zu haben. Im März dieses Jahres ist eine Bandbiographie unter dem berühmten Songtitel „Deutschland muss sterben“ erschienen – heute raven die Kids gegen Deutschland. Gibt es einen Unterschied? 
Ja! Als Slime „Deutschland muss sterben“ aufgenommen hatten, war das total neu und radikal. Heute kann man als deutschsprachige Band auf viel mehr Musikgeschichte zurückblicken und sich das raussuchen, was man cool findet. Der Umgang mit der deutschen Sprache ist viel freier als vor 30 Jahren.

Stichwort „Another Stein on the Bullenschwein“: Du magst Satire, aber mal ehrlich – wie beurteilst Du die Zukunft von Punk, als Musikstil und/oder Bewegung?  
Es kommt, wie es kommt. Punk hat sich in den letzten 35 Jahren sehr verändert und wird es auch in den nächsten Jahren tun. Solange sich Kids zusammentun, um Bands zu gründen und der Gesellschaft ihre Meinung vor den Kopf zu ballern, ist alles gut. Egal, ob sie es ernst, witzig oder zynisch machen. Die Musik dahinter ist letztendlich egal und entwickelt sich zum Glück immer weiter. Wäre ja auch total spießig sonst…

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