Bild: „Macht nachweislich gute Laune“: Das Deo-Versprechen dürfte bei Missbrauch des Produkts zum Schnüffeln wohl tatsächlich zutreffen. , :bsz-Drogenreihe: Psychoaktive Wundermittel oder gefährliche Nervengifte? Die Neurobiologie hinter Drogentrips Foto: mb

Wenn junge Menschen mit einem Rucksack voller Deospray aus dem Drogeriemarkt kommen, haben sie entweder ein Transpirations- oder ein Drogenproblem. Letzteres dürfte gerade unter Jugendlichen wohl eher der Regelfall sein. Dabei sind Schnüffelstoffe hochgefährlich – abgesehen von gravierenden Langzeitschäden endet ein Trip schnell auch mal tödlich.

In den 80er Jahren begann in den sozialen Randgruppen großer Städte der Trend, Benzin oder Klebstoff zu schnüffeln. Noch heute ist der Rausch aus der Tube oder Dose eine bewährte Droge für Arme – in Entwicklungsländern betäuben nach wie vor viele Minderjährige ihre Alltagssorgen mit den leicht erhältlichen Giften.

Zu schnüffeln gibt es vieles – Deosprays, Kleber, Benzin, Nagellackentferner oder Spiritus können in eine Plastiktüte gesprüht oder geschüttet und anschließend inhaliert werden. Sie sind allesamt legal zugänglich und im Vergleich zu härteren Drogen verlockend erschwinglich.

Höchst riskante Räusche

Berauschend wirken in den jeweiligen Produkten industrielle Lösungsmittel, die zugesetzt werden, um die Verarbeitung der jeweiligen Stoffe zu vereinfachen. Sie gleichen sich zwar nicht in der chemischen Struktur, erzeugen aber einen ähnlichen Zustand: nach einer kurzen Euphorie trübt sich das Bewusstsein, folgen Trugwahrnehmungen oder gar Bewusstlosigkeit.

„Schon als Kind mochte ich den Geruch von Klebstoffen oder Eddings. Mit 16 bin ich zum ersten Mal mit meinen Kollegen in den Baumarkt gefahren und wir besorgten uns ein Lösungsmittel zum Inhalieren. Mein erster Trip war zunächst ziemlich geil, doch nach der dritten Runde musst‘ ich mich übergeben.“
Ludwig, 19, Schüler, seit drei Jahren abhängig

Ab wann eine Überdosis beginnt, ist beim Schnüffeln schwer abzuschätzen – hat aber fatale Folgen. Die giftigen Substanzen können das Atemzentrum des Gehirns blockieren, sodass eine starke Inhalation bereits ausreicht, um anschließend zu ersticken.

Legal, aber extrem schädlich

Körperlich abhängig machen die Lösungsmittel nicht; jedoch ist das psychische Suchtpotenzial nicht zu unterschätzen – zu verlockend ist ein neuer euphorischer Schub sowie die anschließende dumpfe Betäubung. Und schließlich ist die Droge legal erhältlich – wenn auch zu anderem Gebrauch bestimmt – und kostet wenig.

„Als Teenie habe ich mich durch sämtliche Stoffe durchprobiert, die mir einen Rausch beschert haben. Mit 14 habe ich mit Deos angefangen, manchmal haben meine Freundin und ich die auch noch zusätzlich mit Sprühkleber gemischt. Einmal entstand eine starke chemische Reaktion, sodass ich danach ein paar Tage im Krankenhaus künstlich beatmet werden musste.“                
Marina, 21, Studentin, seit einem Jahr clean

Bei längerem Missbrauch entstehen jedoch schwere Organschäden, so etwa an Lunge, Herz, Niere und Leber. Da Lösungsmittel psychoaktiv sind, leiden auch die Nervenzellen – im Extremfall kommt es zu motorischen oder sensorischen Ausfällen oder Herzstillstand.  

 :Melinda Baranyai & ­

:Katharina Cygan

 

Steckbrief: Schnüffelstoffe

Erste Räusche: unbekannt

Wirkstoff: Lösungsmittel

Wirkung: euphorisierend, bewusstseinstrübend

Zu sehen in: „Love Liza“

In unserer Drogenreihe stellen wir Euch die Wirkungsweise verschiedener Substanzen vor – Erfahrungsberichte treffen auf Wissenschaft.

Lest hier auch den anderen bisher erschienenen Artikel der Reihe:

„Trendharz Cannabis“

„Schmetterling trifft Handgranate“

„Die Droge der Reichen und Schönen“

„Hochpotenter Heldenrausch“

„Von der Panzerschokolade zum TV-Star“

„Zauberhafte Hütchen“

„Vom Gift nur das Allerfeinste“

„Vom Modeaccesoire zum Lungenteufel“

0 comments

You must be logged in to post a comment.