Bild: Symbolbild, 16 Jahre Vertuschung von Wahrheiten cc0

Kommentar. Am 7. Januar 2005 starb Oury Jalloh in einer Gefängniszelle in Dessau. Offiziell zündete sich der an Händen und Füßen gefesselte Mann auf seiner feuerfesten Matratze mit einem Feuerzeug an. Die Geschichte wirft bis heute noch Fragen auf, die unbeantwortet bleiben.

Jedes Jahr sollten wir uns an diese Geschichte erinnern, um unseren sehr perspektivisch weißen Glauben an eine Polizei, die unser „Freund und Helfer“ ist, zu hinterfragen und genauer zu untersuchen. Die Vorgänge am 7. Januar lesen sich fast schon dilettantisch. Polizisten können sich auf einmal nicht mehr erinnern, was passiert ist, als sich Jalloh angeblich selbst anzündete, Beweismittel verschwinden oder tauchen auf einmal aus dem nichts auf, Stromausfälle passieren, die nicht verzeichnet werden können, aber passiert sein sollen und die Justiz und Legislative verschließt immer weiter die Augen, obwohl immer weitere Gutachten darauf hinweisen, dass Jalloh sich nicht selbst angezündet haben kann. Das wohl größte Argument dafür, dass die von der Polizei vorgelegte Geschichte wahrscheinlich nicht der Wahrheit entspricht ist, dass Jalloh ohnmächtig war als er sich anzündete. Zumindest ist dies die Überzeugung des forensischen Toxikologen Gerold Kauert. Wie kann es also sein, dass die Frage, was am 7. Januar passiert ist, weiterhin juristisch ungeklärt bleibt, obwohl genug Indizien darauf verweisen, dass im Fall Jalloh ein Fehlurteil vorliegt?

Wir scheinen in einem Rechtsstaat zu leben, dessen Gewaltenteilung nicht zu funktionieren scheint. Polizei und Gericht stützen sich gegenseitig auf Märchen und überlassen die Suche nach der Wahrheit Hinterbliebenen. Hätte Jalloh nicht die Leute hinter sich gehabt, die bis heute unter immensen Anstrengungen versuchen herauszufinden, was wirklich vorgefallen ist, wäre er wahrscheinlich nur ein weiterer Name auf einer Liste Verstorbener in Gewahrsam. Dass wir mittlerweile mit ziemlicher Sicherheit sagen können, dass die Geschichte der Polizei falsch ist, beweist uns doch nur, dass ein Problem vorliegt, das schlicht weg ignoriert wird. Warum also weiter so tun, als ob die Polizei im Fall Jalloh die Wahrheit sagt?

Es scheint so als ob ein Bild aufrecht gehalten wird, das uns zeigen möchte, dass wir in Deutschland kein Rassismus-Problem haben und auch kein Problem mit Polizeigewalt. Unsere Institutionen funktionieren und wir können auf sie vertrauen, heißt es immer wieder. Die Beweise dafür, dass das System kaputt ist und wir unbedingt überdenken müssen, wie wir mit Polizist:innen verfahren müssen, die sich gegen geltendes Recht stellen, sind offenkundig. Lieber aber verschließen wir die Augen und geben unseren systematischen Problemen keine Anerkennung. Die Polizei sollte sich ihrer Aufgabe bewusst sein und nicht das Recht in Eigeninterpretation so auslegen, dass anderen Menschen dadurch ihre Rechte aberkannt werden. Verschweigen wir weiterhin diese Fehler im System, unterstützen wir Unrecht und stellen uns auf die Seite der Täter. Wir alle tragen eine Mitschuld an jedem unnötigen Tod, solange wir nicht dafür sorgen, dass, wenn Unrecht getan wird, die Konsequenzen für alle gleichermaßen zu tragen sind. Wir müssen anfangen, Polizist:innen nicht als eine homogene Masse zu betrachten, in der entweder alle schlecht oder alle gut sind, sondern sollten sie als Ansammlung individueller Personen mit individuellen Motivationen sehen, die sowohl schlecht als auch gut sein können. Unsere Aufgabe sollte es sein, zu untersuchen wer sich an geltende Regeln hält und wer nicht, um Unrecht zu verhindern und unserem Rechtsstaat Legitimität zu geben. 

:Gerit Höller

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