Bild: Großes Polizeiaufgebot am 1. Mai: DemonstrantInnen klagen über Verletzungen und Schikanen. , Antirepressionsbericht: Prüfung einer Sammelklage nach Massengewahrsam und 50 Verletzten Foto: alx

Rund eine Woche nach der NPD-Demo am 1. Mai wirft der Polizeieinsatz Fragen auf. Während aktuell eine Antirepressionsgruppe die Möglichkeit einer Sammelklage prüft, wurde bereits gegen vier BeamtInnen Anzeige erstattet. Der Vorwurf: Unterlassene Hilfeleistung und Körperverletzung.

Jan* spürte plötzlich einen intensiven Schlag. Seine Hand hing unnatürlich herunter, der Arm schmerzte höllisch. Als er sich umdrehte, sah er nur den Rücken eines Polizisten, der mit gezücktem Schlagstock wegrannte. Ein Freund von ihm stand genau daneben und hat alles gesehen. „Der Polizist ist auf mich zugerannt und hat mir einen gezielten Schlag verpasst“, erzählt Jan. Mittlerweile ist  der rechte Arm komplett eingegipst, die Elle unterm Handgelenk ist gebrochen. 

An den Vorfall erinnert sich der 24-Jährige sichtlich genervt zurück: Eigentlich wollte er zusammen mit anderen GegendemonstrantInnen weiter in Richtung der Naziroute. Dass man zu dem Zeitpunkt den NPD-Aufmarsch nicht mehr verhindern konnte, war auch ihm da schon klar. „Aber da hätten uns die Nazis wenigstens gehört.“

Selbst Schuld an Verletzung?

Als der Geschichtsstudent gegen 14 Uhr an der Kortumstraße im Bermuda3Eck steht, geht alles sehr schnell: Links und rechts laufen PolizistInnen vorbei, reißen die Tische vorm Café Extrablatt um. Als aus nächster Nähe bereits Pfefferspray gesprüht wird, lehnt er sich an einen Hauseingang. Mit der linken Hand stützt er den gebrochenen Arm: „Die Schmerzen waren höllisch.“ Zu dem Zeitpunkt befindet sich der RUB-Student aber schon mit 306 anderen Menschen im Bermuda3Eck in Gewahrsam. „Ich habe dann vorsichtig auf drei PolizistInnen eingeredet, mich rauszulassen.“ Doch die Beamten haben ihm entgegnet, selbst an seiner Verletzung Schuld zu sein, wenn er doch auf eine Demo gehe. „Sie haben weder einen Rettungswagen, noch eineN SanitäterIn gerufen“, berichtet Jan. „Der Arm war da schon komplett geschwollen.“ Unter den Festgesetzten befindet sich eine Medizinstudentin, die auch versucht, auf die PolizistInnen einzureden. Schließlich wird er rausgelassen – wie er zurechtkomme, solle er aber alleine schauen, entgegneten ihm die Beamten. In der Pommesbude von Max Frituur bittet er schließlich, eineN SanitäterIn anzurufen. Am anderen Ende der Leitung will man aber erst mal wissen, wie er aussieht und was er an hat, um das der Polizei zu melden. Schließlich macht er sich zu Fuß auf zum Bergmannsheil. 

Die Dienstnummer haben ihm die PolizistInnen nicht verraten, doch die Zuggruppennummer konnte er erkennen. Zwei Tage später hat er Anzeige erstattet: Wegen unterlassener Hilfeleistung und Körperverletzung im Amt. Der Bochumer Oberstaatsanwaltschaft lagen die Anzeigen auf Anfrage der :bsz vor Redaktionsschluss noch nicht vor. 

Für ihn sei das ganze Vorgehen reine Einschüchterung gewesen: „Das war ein Übungseinsatz für den tddz (Tag der deutschen Zukunft), damit sich Leute nicht auf die Straße trauen.“ Er selber will sich aber trotzdem am 4. Juni in Dortmund an den Gegenprotesten beteiligen – auch wenn er noch nicht weiß, in welcher Form. Schließlich wird er dann immer noch einen Gips tragen.

:Benjamin Trilling

 

*Name von der Redaktion geändert

 

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