Auch hierzulande wurde bis zuletzt die Befürchtung lanciert, dass mit der Einführung eines Mindestlohns die abendländische Kultur zusammenbrechen würde. Ähnlich verlief es in den USA: Ende letzten Jahres schnauften die oberen Zehntausend in den USA durch und hofften, dass der Spuk vorbei sei: Mit Kshama Sawant von der Socialist Alternative war im Dezember eine überzeugte Sozialistin in den Stadtrat von Seattle gezogen. Nach dem Wahlerfolg wurde der politische Betrieb allerdings nicht eingestellt. Mit der beispielhaften Kampagne „15Now“ wurde ein Mindestlohn von 15 Dollar durchgedrückt.

Sozialist wird im herrschenden Diskurs der USA oft als Schimpfwort gebraucht (zum Beispiel gegen Obama). Eine umso bitterere Ironie ist es für die bisherigen ProfiteurInnen der Wirtschaftskrise in den USA, dass nun in Seattle, der Heimat von Großkonzernen wie Amazon, Microsoft, Boeing oder Starbucks, eine solche Protagonistin der radikalen Linken in den Stadtrat eingezogen ist.

Nicht nur das, der Begriff Sozialismus ist ausgerechnet in den USA salonfähig geworden, ExpertInnen spekulieren, wie fest das bisherige Zwei-Parteien-System noch im Sattel sitzt. Schnell wurde von oben Druck aufgebaut und in den Medien Panikmache betrieben – vor allem, als es ums Eingemachte ging.

Die Straße als politisches Protestforum

Als der größte Arbeitgeber der Region, die Boeing Company, damit drohte, in einen gewerkschaftsschwachen Niedriglohnstaat umzuziehen, falls die Beschäftigten keine schlechteren Bedingungen akzeptieren, hielt Sawant in einer Rede dagegen und schlug dem Flugzeughersteller vor, dass sie gehen können – nur Kapital und Fabrik sollten sie dalassen. Nach Jahren der Entbehrung heizten plötzlich ArbeiterInnen dem Megakonzern Boeing ein: „Besetzt Boeing und baut Busse!“, riet Sawant, die auch an einer Hochschule Wirtschaftswissenschaften doziert.

Nun ging es mit der Kampagne „15Now“ weiter: Mit Demonstrationen, Veranstaltungen und wöchentlichen Treffen setzten tausende Lohnabhängige energisch einen Mindestlohn von 15 Dollar durch.

Für die AktivistInnen um Sawant ist aber auch dieser Erfolg nur ein Zwischenschritt; vielmehr sehen sie den Lohnkampf als Weg zu einer besseren Gesellschaft: „Der Kampf um die 15 ist nur der erste Schritt hin zu einem existenzsichernden Lohn. Niedriglohnjobs werden überproportional von farbigen Menschen, Frauen und MigrantInnen ausgeübt. Der Kampf für die 15 Dollar ist auch eine Frage von Rasse, Geschlecht und sozialer Gleichheit.“

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