Bild: Formen und Farben fließen: Bunte Installationen im Wittener Treff., Beim audiovisuellen Spiel mit Extremen gibt’s Grenzerfahrung zum Mitmachen Foto: dESTRUKTIVA

Dunkelheit und Stille werden aufgebrochen: In langsamen Klangfolgen dröhnt übersteuerter Gitarrenlärm, dazu brennt sich die unpassend schnelle Abfolge von Lichtblitzen aus einem Stroboskop in die Netzhaut. Der Kodiak-Ableger Nightheart macht Drone, ein extremes Subgenre von Doom Metal. Neben acht weiteren Acts werden die zwei Musiker am Samstag (15. Februar) im Kulturzentrum Treff in Witten spielen. Und genau wie ihre Musik werden auch die experimentellen Klänge ihrer Künstler-KollegInnen aus den Bereichen Noise, Elektro und Krautrock schwer zugänglich sein. Jeder Annäherungsversuch aber ist ein Wagnis, das sich lohnen könnte. Nicht zuletzt, weil das Publikum eingreifen darf. Mit einfachen Licht-Installationen können die Gäste nach Gusto den sonst dunklen Raum bespielen.

„Es ging darum, zu gucken, wieviel das Publikum aushält, was man sich im Namen der Kunst erlauben kann – bis zu welchem Punkt es die Leute immer noch geil finden“, erzählt Christian Hollberg über das erste Noise-Konzert, das er veranstaltet hat. Der 24-Jährige organisiert unter anderem auch Hardcore-Konzerte und hat die Queer-Café-Transistor-Reihe im soziokulturellen Zentrum Trotz Allem in Witten mitbegründet.

Auf seine sehr eigenwillige Noise-Premiere folgten im Oktober 2012 die ersten Gehversuche mit experimenteller Musik im Treff. Und die waren so erfolgreich, dass im Februar 2013 das dESTRUKTIVA-Festival – eine ganze Veranstaltungsreihe – an den Start ging. Offenbar reicht es in der Szene schon, überhaupt etwas auf die Beine zu stellen, damit Leute kommen: „Noise ist immer noch eine immens generische Subkultur, sehr klein und elitär“, erklärt Hollberg. Die Veranstaltungen seien zum Großteil schlecht beworben. Konzerte gebe es wenig. Nur in der Hipster-Szene – nun ja: „Da ist Noise gerade im Kommen“.

Blubbernde Overhead-Projektoren

Bei experimenteller Musik sollte es aber nicht bleiben: Alles abwechslungsreicher gestalten, die Leute mit einbinden, so das erklärte Ziel. „Viel interessanter wird‘s, wenn das Publikum Teil des Gesamtkonzepts ist“, sagt der Veranstalter. An Overhead-Projektoren blubberten die Gäste beim letzten dESTRUKTIVA durch Strohhalme in Schalen mit Seifenlauge, um psychedelische Strukturen an die Wand zu projizieren. Diesmal kommen neue Projektionsflächen hinzu: Um die Musiker wird Malerplane gespannt, dahinter alles in Nebel gehüllt. So kann quasi auf die Bands projiziert werden. Deren eigene Optik steht im Hintergrund – auch sie werden zum Gegenstand der Kunstinstallation. „Ganz genau kann ich mir selbst noch nicht alles vorstellen“, gibt Hollberg zu. Zum Beispiel Rollbilder. Die werden mit Murmeln und Fingerfarbe in Schuhkartons produziert und später an einer Lichterkette aufgehängt.

Anfangs seien die Gäste etwas zögerlich; nach einigen Bands werde die Umgebung im Minutentakt verändert. „Das Interessante ist, dass der Raum – unterschiedlich beleuchtet – auch architektonisch anders wirkt“, findet Hollberg. Auf diese Weise gibt es fürs Publikum immer etwas zu tun, was von der teils nervenaufreibenden martialischen Musik ablenkt. „Spielplatzcharakter“, nennen die Veranstalter das. Immerhin gilt es sieben Stunden auszuharren und dabei neun Bandprojekte anzuhören. Das aber nicht im Stehen: Es wird einen Chillout-Bereich mit Sitzsäcken geben. „Zwar spielen einige Künstler nur zehn Minuten, doch es fühlt sich viel länger an“, so Hollberg. 

Negation und Offenbarung

Bands wie Nightheart würden bewusst mit Extremen spielen. Dabei offenbaren die Musiker gängige Elemente der Kunst, indem sie diese negieren und auf nichts reduzieren. Strukturen wie Melodie und Rhythmus lösen sich in Geräusche auf.
Die Grundidee für Noise stamme aus dem Neo-Dadaismus der 60er Jahre, erklärt Hollberg. Ursprünglich sollte die vierte dESTRUKTIVA-Auflage um philosophische Vorträge ergänzt werden, die theoretische und historische Hintergründe des Kunstkonzepts vermitteln. Doch diesen Plan haben die Veranstalter verworfen. Sie wollen nichts vorgeben, nichts vordenken und schon gar nicht vorschreiben, welche Bücher man gelesen haben sollte, um das, was da am Wochenende passieren wird, zu verstehen.

:bsztermin

Was? dESTRUKTIVA IV – Festival für audiovisuelle Kunst und experimentelle Musik
Wer? Utopia:Banished „Experimantel Rock“; Nightheart „Drone/Ambient“ (EX KODIAK); Lilith/Burier „Drone/Harsh/Ambient“; Multilate! „Noise“; Moloch „Harshambient/Videoart“; 1919 „Samples/Loops“; Transport „Krautrock“; Holz Feuer Stein Ofen „Posthipsterpizzaepics“
Wieviel? Zwischen 7 und 10 Euro, nach Selbsteinschätzung
Wo? Treff, Mannesmannstraße 6, Witten
Wann? Samstag (15. Februar); Einlass 18.30 Uhr, Beginn 19 Uhr

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