Bild: Die Europäische Union: Neoliberal nach innen, militarisiert nach außen, An den Außengrenzen nichts Neues Bild: lewy

Kommentar. Die Kehrseite von Reisefreiheit und relativem Wohlstand sind Diktaturen, Lager, Sklaverei und Massensterben.

Die EU-Außengrenze ist die tödlichste Grenze der Welt. Allerdings weitet die selbsternannte „Friedensmacht“ ihr Grenzregime stetig auf andere Länder aus, eine Schlüsselrolle dabei spielt Nordafrika. Dabei kommt es auch vor, dass diese „Türsteher“ ihre Position nutzen, um Druck auf die Herren im Hause Europa auszuüben: Vor wenigen Wochen sorgte Marokko für Panik beim nördlichen Nachbarn. Weil der an Corona erkrankte Präsident der von Marokko besetzten Westsahara, Brahim Ghali, in einem spanischen Krankenhaus behandelt wurde, ließ Marokko tausende Geflüchtete auf die spanische Exklave Ceuta los. Madrid schickte Soldaten gegen die Menschen. Nach 48 Stunden war der Spuk vorbei: Im Schnellverfahren stockte Spanien die Finanzierung des marokkanischen Grenzschutzes um 30 Millionen Euro auf; die spanische Justiz erhob Anklage gegen Ghali wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen und bald darauf musste er das Land verlassen. Im Einvernehmen mit Rabat wurden die Geflüchteten zu großen Teilen per illegalen Pushbacks nach Marokko abgeschoben, sie hatten ihre Aufgabe als menschliches Druckmittel erfüllt.

Nun geriet auch Libyen kurz wieder in den Blick der Öffentlichkeit: Das 2011 von der NATO zerstörte und seither heiß umkämpfte Land kann schnell zum Leck des EU-Grenzregimes werden. Daher arbeitet die Grenzschutzagentur Frontex eng mit der sogenannten libyschen „Küstenwache“ zusammen, einer Miliz, die sich dafür bezahlen lässt, Geflüchtete abzufangen und in Lager zu stecken. Dort graßieren Hunger, Krankheit und Sklavenhandel. Nun erklärte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, sie habe ihre Arbeit in mehreren solcher Lager eingestellt, weil die Aufseher automatische Waffen gegen Insassen eingesetzt hätten. Außerdem wurden neue Fälle systematischen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen bekannt. Die Infos kamen pünktlich zur zweiten Berliner Libyenkonferenz. Dort spielte nichts davon eine Rolle. Es ging um „Stabilität“, die Sicherung von Ölfeldern und Symbolpolitik. Damit bleibt alles beim Alten: Die EU kann ihren höheren Wohlstand und ihre relative Freiheit im Innern nur sichern, indem sie ein System aus Lagern errichtet und das Mittelmeer in ein Massengrab verwandelt.

:Leon Wystrychowski

0 comments

You must be logged in to post a comment.