Bild: Zahlreiche Demos gegen Rassismus und Polizeigewalt: Zuletzt etwa in Düsseldorf am 6. Juni., Grün sieht keine Farbe? Alessandro Ohrner

Demonstration. Kein Rassismus bei der Polizei? Nach einer Verdi-Kundgebung ist eine Debatte entbrannt. Für Gewerkschafter:innen gibt es breite Unterstützung. 

Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken war nicht die erste, die den Vorwurf erhob, die deutsche Polizei habe ein Rassismusproblem. Und obwohl sie mittlerweile zurückgerudert ist, hat sie mit dieser Äußerung eine neue Debatte über Rassismus unter der deutschen Beamtenschaft ausgelöst. Das Problem wird seit Jahren thematisiert – von Menschenrechtsorganisationen, Migrantenverbänden, antirassistischen Initiativen und von Wissenschaftler:innen (auch an der RUB). Es gibt hinlängliche Berichte und Untersuchungen über Racial Profiling, strukturellen Rassismus, die mangelnde juristische Aufarbeitung konkreter Vorwürfe und die zahlreichen „Einzelfälle“ offen Rechtsradikaler in den Reihen der Beamten. Die Debatte auf Bundesebene hat mittlerweile auch die Lokalpolitik erreicht, so etwa in Essen. 

Dort solidarisierten sich vor drei Wochen Verdi-Aktive am Uniklinikum (UK) mit einer Kundgebung vor dem Krankenhaus mit den Protesten in den USA infolge des Mordes an George Floyd. In einem von der Vertrauensleutesprecherin Ursula Gerster gehaltenen Redebeitrag wurden die historischen und sozialen Zusammenhänge zwischen Ausbeutung, Armut und Rassismus benannt. Außerdem verwies die Rednerin darauf, dass es diese Probleme auch in Deutschland gebe. Das war Anlass für Oberbürgermeister Thomas Kufen und den Essener Bundestagsabgeordneten Matthias Hauer (beide CDU) sowie den lokalen Polizeipräsidenten Frank Richter, von „Diffamierung“, „Verunglimpfung“ und einem „Skandal“ zu sprechen und eine Entschuldigung einzufordern.  

Nicht als Skandal eingeschätzt werden dagegen offenbar zwei schwere Vorwürfe gegen die Essener Polizei, eine Schwarze Frau und einen jungen Mann mit Migrationshintergrund körperlich misshandelt zu haben. Oder der Fall Adel B., der im Sommer 2019 von Essener Einsatzkräften erschossen wurde. Ganz zu schweigen von der Kampagne gegen Menschen mit arabischen, kurdischen und türkischen Wurzeln, von der bereits im April diesen Jahres unter anderem von MiGAZIN berichtet wurde.  

Während sich der Verdi-Bezirk Ruhr-West in einer Stellungnahme zunächst von der Aktion der Kolleg:innen am UK distanzierte, erhielten diese Rückendeckung von Anti-Nazi-Bündnissen und Antirassismus-Initiativen aus Duisburg und Essen sowie der örtlichen Linkspartei. In den Solidaritätsbekundungen wird unter anderem darauf verwiesen, dass es in den vergangenen Jahren immer wieder zu tödlichen Übergriffen seitens der Polizei auf Menschen mit Migrations- oder Fluchthintergrund beziehungsweise dunkler Hautfarbe in Deutschland kam. Genannt wird unter anderem der mittlerweile durch Freunde und Aktivist:innen an die Öffentlichkeit gebrachte Fall von Oury Jalloh, der 2005 in einer deutschen Gefängniszelle verbannte. Tatsächlich spricht das Bündnis „Death in Custody“ von 159 mutmaßlich rassistischen Tötungsdelikten durch die Polizei in Deutschland seit 1990 und fordert deren Aufklärung.  

Auch Ursula Gerster, die im Mittelpunkt der Vorwürfe von Politikern und Polizeisprechern steht, hat sich mittlerweile in einer persönlichen Stellungnahme geäußert. Darin spricht sie von einer „verfälschenden und diffamierenden Berichterstattung“ vonseiten der WAZ und fordert ihrerseits eine Entschuldigung und Richtigstellung. Sie habe nicht von „Morden“ gesprochen, sondern von Polizeigewalt mit tödlichen Folgen, in denen Rassismus möglicherweise eine Rolle gespielt habe und die aufgeklärt werden müssten. Genannt habe sie etwa die EU-Grenzpolitik im Mittelmeer, wo seit 2014 offiziell mehr als 20.000 Geflüchtete ums Leben kamen, oder Fälle, wie dem von Adel B., bei dem die Polizei ihre ursprüngliche Darstellung nach Auftauchen eines Videos habe ändern müssen und Ermittlungen wegen der tödlichen Schüsse noch andauerten. Verdi Ruhr-West hat mittlerweile eine Kehrtwende hingelegt: In einer gemeinsamen Stellungnahme, die der :bsz vorliegt, hat sich der Bezirk vergangene Woche gemeinsam mit den Kolleg:innen vom UK hinter die Aktion und ihre Sprecherin gestellt.

              Ein Gastartikel von :Leon Wystrychowski 

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