Bild: Kleine Spritztour gefällig? Bei der Tour de France sehen die Räder etwas anders aus., Das gelbe Trikot winkt! Bild:hakl

Kommentar. Seit dem 29. August läuft die 107. Ausgabe der Tour de France. Es gilt 3.484 Kilometer in drei Wochen zurückzulegen.

Zwei Monate später als gewöhnlich startete in Nizza Ende August wieder die wichtigste Radrundfahrt der Welt. 176 Fahrer aus 30 Nationen gehen für 22 verschiedene Teams an den Start und kämpfen auf 21 Etappen um das gelbe Trikot. Ebendieses darf nämlich immer der derzeit gesamtführende Fahrer tragen. Die Ausrichtung der Tour trotz der Pandemie bot sich an, denn ein Großteil der Zuschauer:innen sitzt vor dem Fernseher und sieht sich die Bilder der auf Motorrädern oder in Helikoptern miteilenden Kameras an. Doch auch über den gesamten Streckenrand verteilt finden sich mal vereinzelt, mal in großen Meuten, Fans, die stundenlang darauf warten, dass die Fahrer mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 Stundenkilometern an ihnen vorbeirasen. Deshalb sind besonders bergigere Etappen wie in den Pyrenäen beim Publikum beliebt, da die Räder dort wesentlich langsamer die Gipfel erklimmen. 

Das lädt die ekstatischen Zuschauer:innen dazu ein, den wankenden Teilnehmern der Tour, so lange ihre Beine sie tragen, hinterherzurennen, um ihnen aus nächster Nähe ihre Anfeuerungsrufe ins Ohr zu brüllen. Durch diesen zusätzlichen Ansporn kann schon mal der entscheidende Push ausgelöst werden, jedoch ist die Schneise, die durch die immer näherkommenden Körper gebildet wird, zuweilen so eng, dass sich das Manövrieren schwierig gestaltet, ohne jemanden über den Haufen zu fahren. Man kommt sich also nah bei der Tour und das ist ja auch eigentlich schon immer ein sympathischer fester Bestandteil des Rennens gewesen. Da zurzeit jedoch Abstand das allgegenwärtige Gebot ist, wurde im Vorhinein auch über eine mögliche Geistertour diskutiert. Diese Idee wurde aber schnell wieder verworfen, da die Abriegelung von hunderten von Kilometern Strecke jeden Tag eine unrealistische Aufgabe bedeuten würde. 

Stattdessen baut man auf die Vernunft des Publikums, das am Streckenrand nur mit Mundschutz stehen soll. Dasselbe gilt für die Fahrer und Betreuer:innen, sobald man das Ziel erreicht hat und vom Fahrrad absteigt. Die Krise selbst war schon der größte Faktor für die stark reduzierten Zuschauer:innenzahlen und der Rest verhält sich zumeist wie gewohnt, nur eben größtenteils mit Mundschutz. In Einzelfällen setzt sich jedoch wieder der allzu bekannte alltägliche Wahnsinn durch. Direkt während der ersten Etappe löste ein Fan, der vor dem heranrauschenden Fahrerfeld ein Selfie machen wollte, einen Massensturz aus, weil er sich zu weit über die Absperrung beugte. Dabei traf er mit seinem Smartphone einen Fahrer am Helm, der dadurch zusammen mit 20 weiteren Teilnehmern zu Fall kam.

Für das Publikum vor den Endgeräten zu Hause bieten sich trotzdem stundenlange Landschaftsaufnahmen, die von einem Kommentatoren-Duo begleitet werden, bis man das Gefühl hat, jede Kirche in ganz Frankreich beim Namen benennen zu können. Nebenbei werden die Rennen vor allem auf den letzten 20 Kilometern durchaus spannend, auch wenn man das etwas komplizierte Wertungssystem noch nicht ganz verstanden hat. Mit Emanuel Buchmann, der 2019 den vierten Platz in der Gesamtwertung belegte, ist dieses Jahr auch wieder ein deutscher Fahrer am Start, der in den nächsten Jahren den ersten deutschen Gesamtsieg seit Jan Ullrich erreichen könnte. Derzeit ist allerdings der Slowene Primož Roglič, ein ehemaliger Skispringer, der Favorit auf das gelbe Trikot. Es wird sich zeigen, ob er es auch noch am 20. September am Ende der Tour in Paris tragen darf.

:Henry Klur

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