Nachdem :bsz-Redakteur Marek in der letzten Ausgabe die Abschaffung der Anwesenheitspflicht in Lehrveranstaltungen begrüßt hat, erreichte uns die Reaktion eines Lesers. Dieser findet, dass die Anwesenheitspflicht durchaus einen Sinn hat.

„Lieber Marek,

Du hast Recht – zumindest stellenweise.

Ich finde, dass es um mehr geht als um Unterschriftenlisten in Veranstaltungen, es geht um die Frage, was für eine Art von Studenten wir haben wollen.

Mein Eindruck ist, dass in Zeiten, in denen ein Jeder das Abitur bekommt (v. a. in NRW) und die Abiturienten meinen, sie gehörten dann auch zwangsläufig an die Uni, sich ein neuer Typus des Studenten und eine neue Definition von Bildung herauskristallisiert.

Die Uni ist kein Ort humboldtscher Bildung mehr, es wird auf dem bequemsten Wege nach einem Abschluss gestrebt. Wo ist noch der große Unterschied zu einer Ausbildung oder gar der Schule?

Viele Studenten begrüßen den Wegfall. Nicht weil damit eine unnötige Bevormundung wegfällt – ein respektabler Grund –, sondern weil noch eine Schranke fällt und das Studium nach der Devise des bequemsten Weges noch weiter erleichtert wird.

Dieser Typ des Studenten hat die Seminare ohnehin nur abgesessen. Das spricht für Dein Argument, dass physische Anwesenheit alleine nicht ausreicht. Bedeutet aber nicht, zumindest nicht für alle, dass die Uni damit weniger verschult sei, denn Dein Argument lautet ja, dass damit der Gedanke der Eigenverantwortung gesteigert würde. Bei dem skizzierten Studententypus – schnell und bequem zum Abschluss und rein in eine Welt, die nur auf mich wartet – wird nur der Gedanke eines gelangweilten Schuljungen in der Projektwoche geweckt: Es wird die Anwesenheit nicht kontrolliert? Warum soll ich dann kommen?

Auch Dein Mensabeispiel hakt an einer Stelle. Wenn die Studenten in der Uni nicht essen, kann man sicher sein, dass sie es an anderer Stelle tun. Sich an anderer Stelle zu bilden, ist keine physische Notwendigkeit.

Es geht mir und anderen Kritikern also um einen gewissen Bildungsbegriff – welche Geisteshaltung zeigt sich darin, dass man darüber jubelt, dass man nicht mehr zur Uni muss?

Wir betrauern nicht den Wegfall des formalen Aktes, sondern was sich hinter diesem Jubel verbirgt und erinnern daran, dass niemand zum Besuch einer Universität gezwungen wird.

Humboldt ist lange tot, insbesondere in Zeiten der Massenuniversität, aber bedauern darf man diese Entwicklung wohl noch.

Herzlichst,

:Marvin Schnippering (Leser)

2 comments

  1. Nunja
    Es gibt ein Zentralabitur, dass nach Standards sucht, um herauszufinden ob jemand in der Lage ist den universitären Ansprüchen gerecht zu werden. Hier steckt zum einen das Vermögen, aber auch Entwicklungspotential. Deine Ansicht auf das Abitur ist herablassend und snobistisch.

    Wenn die Uni Ansprüche stellt, die dann auch ohne Anwesenheit erreicht werden, ist in den meisten Fällen das erreicht worden was angepeilt wurde. Ob nun mit langweiligem Prof oder ohne. Wenn du schon „philosophisch“ am Bildungsbegriff arbeitest, dann arbeite auch an deiner Betrachtungsweise von verschiedenen Lebenskonzepten, die deinem eigenen widersprechen. Es gibt viele Wege zum Ziel. Dieses sollte darin liegen Menschen, egal ob 4,0 oder 1,0 Abitur, das Rüstzeug zu geben, um die spezifischen Probleme zu überwinden, welche die Studenten erwarten.

    Dazu gehören auch idealistische Sichtweisen. Wenn die Uni es nicht schafft ihre Studenten anzuziehen, dann sollte Sie zudem an ihrer Form, Attraktivität, arbeiten.

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