Bild: Nachdenken über die eigenen vier Wände: Auch Studierende der RUB schrieben Texten für die Anthologie „Struktur, Tapete“., Literarische Gedanken übers Wohnen und Leben: Der Kurzgeschichten- und Lyrik Band „Struktur, Tapete“ Cover: Ruhrliteratur

Tapeten sind kein klassischer Stoff für die Literatur: Doch in der vom Ruhrliteratur-Verlag herausgegebenen Bild-Text-Anthologie „Struktur, Tapete“ erzählen junge AutorInnen in Kurzgeschichten und Gedichten spannend und vielfältig über das Leben in unseren Wohnräumen.

So lebendig hat Florian sich schon lange nicht mehr gefühlt. Dabei ist er in einer höchst stressigen Situation. In seinem Kiez formiert sich Protest gegen die Verdrängung der Menschen aus ihren Häusern. Er steckt mit Freunden mitten drin, Parolen werden an die Wand gemalt oder gerufen: „Löhne rauf, Mieten runter“, „Die Häuser denen, die drin wohnen“, „Gentrifizierung ist Klassenkampf“. Dann schreitet die Polizei ein, packt auch Florian, die Stimmung eskaliert, Flaschen fliegen: „Eine Bierflasche trifft Florian im Gesicht. Kurz darauf schmeckt er Blut.“ Nur in hektischen Montagen und kurzen Flashbacks stellt Ina Lammers in ihrer Kurzgeschichte „Bleiben wollen“ die Erfahrungen ihrer Protagonisten mit der städtischen Verdrängungspolitik dar. Ohne Wertungen lässt sie die verschiedenen Facetten, die prekären Wohnverhältnisse, die Protestaktion junger Menschen gegen die Gentrifizierung Revue passieren.

Doch Lammers’ Text ist nur ein Highlight der Anthologie „Struktur, Tapete“, in der sich verschiedene AutorInnen, wie es im Vorwort lautet, fragen: „Welche Strukturen verbergen sich in unserem Leben, unseren Träumen und unseren Wohnräumen?“

Beteiligt waren daran auch RUB-Studierende der Literatur-Initiative Treibgut: In ihrem Gedicht „Wille“ dekliniert Katharina Mraz im klassischen Vanitas-Duktus den Lebensbegriff durch und Caroline Königs rückt in „Hinter Wahrheit“ die Tapete als Metapher zurecht: „Unter der Tapete wird Schmerz sein/ aber größeres Leiden ist hier/ Tapete enthüllt die Vergangenheit.“

Dea Sinik, die an der RUB Germanistik und Italienisch studiert und den Gelsenkirchener Poetry Slam Poesieduell organisiert und veranstaltet, thematisiert dagegen in ihrem Beitrag „Wurzelwerk“ nicht nur eine poetische Verbundenheit des Erzählers zur Heimatstadt, sondern auch wie das fremdenfeindlich aufgegriffen werden kann: „Fahnen des Fanatismus flattern im Sturm der Separation. So versammeln sich in Scharen die Opportunisten der Xenophobie, die ihre Köpfe mit nicht fundierten Gedanken entmisten.“

Schönes neues Wohnen: Der Smartroom in „Die Zelle“ von Nicholas Wieling

Ganz im Geiste von Aldous Huxley ist dagegen Nicholas Wielings „Die Zelle“. In seiner Kurzgeschichte schildert er, wie sich sein Hauptprotagonist in seinem neuen „Smartroom“ mit digitaler Tapete inklusive Landschafts-App einlebt und sich von Freundin und Umwelt entfremdet.

Mit „Literatur, Tapete“ liefern die HerausgeberInnen von Ruhrliteratur einen kurzweiligen Band mit junger, studentischer Literatur ab, die zum Nachdenken übers Wohnen und Leben einlädt. Und das ist dann doch wieder ein altbewährter Stoff der Literatur. Definitiv mehr als alte Tapeten.

:Benjamin Trilling

„Struktur,  Tapete  –  Eine  Bild-Text-Anthologie.  DueStorie,  Band  2.“

Erschienen   als   eBook   im   Ruhrliteratur-Verlag,  Juni 2015, 16 Texte und 12 Fotos. 6,99 Euro

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