Bild: Symbolbild, Razzien :stem

stem.jpgKommentar. Im Deckmantel der Nacht schreitet Innenminister Herbert Reul gegen sogenannte Clankriminalität vor. Doch seine Razzien treffen nicht da, wo sie Wirkung aufzeigen.

Der Innenminister Herbert Reul (CDU) genießt es, sich als Kämpfer gegen die organisierte Kriminalität zu inszenieren. So wurden alleine in den vergangenen eineinhalb Jahren über 1.000 Razzien in Shisha-Bars durchgeführt. „Herbert Reul – der Mann, der sich mit den Clans anlegt“ betitelt die WAZ, der focus umjubelte den Innenminister als „Herr der 1.000 Razzien“. Lobgesänge an das Bild eines starken Mannes, das der Innenminister zu Genüge von sich präsentiert haben will, indem er in Begleitung der Presse in US-Polizeishow-Manier bei den Einsätzen fotografiert wird – beide Hände am Revers seines Mantels, grimmige Miene, Tatbereitschaft.

Die Razzien, die sogenannte Clankriminalität bekämpfen sollen, sind dabei jedoch denkbar erfolglos. Der einzige Erfolg, der regelmäßig erzielt wird, ist die Sicherstellung von einigen Gramm unverzolltem Tabak. So auch bei einem Einsatz im vergangenen November, wie die WAZ berichtete: „Die Gesamtbilanz des mehrstündigen Einsatzes: Es wurden vier leere und zehn mit offenbar unverzolltem Tabak gefüllte Dosen sichergestellt, außerdem weitere 500 Gramm Tabak, die vermutlich ebenfalls der Steuer vorenthalten werden sollten – Fälle, die das Zollamt nun weiterbearbeitet. Außerdem klickten bei einem mit Haftbefehl gesuchten Besucher die Handschellen. Zusätzlich wurden 16 Parkvergehen und sechs Verstöße gegen das Nichtrauchergesetz geahndet. Eine Person ist ein Fall fürs Ausländeramt.“ Das wird relativiert und damit geprahlt, dass die „vielen kleinen Polizeiaktionen“ genau so gewollt seien – denn schlussendlich muss auch er zugeben, dass große Fänge nie gemacht wurden. Mit 1.000 Razzien kommt man anscheinend nicht weit.

Mit dem Terroranschlag in Hanau, bei dem neun Personen aufgrund rassistischer Motivationen umgebracht wurden, gerieten Shisha-Bars erneut in den Fokus der Gesellschaft. Der Täter wählte als Ort seines Anschlags gezielt zwei Shisha-Bars, um möglichst viele Menschen mit Migrationshintergrund töten zu können.
Es geht hier nicht um eine direkte Linie, die den Innenminister für die rassistischen Gräueltaten verantwortlich macht. Das wäre zu kurz gedacht. Aber ebenso wie Reuls Razzien aus einem stereotypisierenden Bild von Clankriminalität schöpfen, schöpfte der Täter von Hanau aus den gleichen Erzählungen von Clankriminalität, Brennpunkten und Rechtlosigkeit.

Diese maßlose Verschwendung von Ressourcen und Prioritäten – die mehr als 1.000 Razzien gegen Shisha-Bars – wurde noch deutlicher, als wenige Tage vor dem Terroranschlag in Hanau Razzien gegen rechte Terrorzellen unternommen wurden. Weit entfernt von ein paar Gramm Tabak und Parkvergehen, zerschlugen vier Razzien in NRW eine Terrorzelle bestehend aus zwölf Personen, die Anschläge auf Politiker*innen, Asylsuchende und Moslems planten, um bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen. Einer der Männer war Verwaltungsbeamter und ehemaliger Polizist bei der Polizei NRW in Hamm, der vor einigen Jahren für die Erteilung von Waffenscheinen zuständig war. Große Fänge können also auch mit kleinem Aufwand erzielt werden.     

:Stefan Moll

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