Bild: Symbolbild, Frankreich und Griechenland Bild: stem

Kommentar. In Frankreich und Griechenland gehen Studierende auf die Straße, um mehr Präsenzunterricht zu fordern. Woher kommen die Forderungen, die im aktuellen Pandemiegeschehen nicht vertretbar wirken?

Es wirkt zunächst komisch, dass in Frankreich Studierende auf die Straßen gehen, um für eine Wiederkehr des Präsenzstudiums zu protestieren. Zu aktiv ist das Pandemiegeschehen und zu gefährlich wirkt das Bestreben. Doch als Grundlage für die Proteste muss man etwas genauer auf die Gründe schauen. Denn es geht den französischen Studierenden unter anderem um eine ungleiche Behandlung. Denn während die Schulen in Frankreich weiterhin offen bleiben, müssen Studierende mit der Online-Lehre weiterfahren. Ein solcher Kurs hat neben finanziellen Problemen – viele Studierende haben auch in Frankreich ihre Jobs verloren – auch erhebliche psychische Folgen. Das kann schwer geleugnet werden. In den vergangenen Wochen wurden im Nachbarland mehrere Fälle von Suizid-Versuchen unter Studierenden bekannt. 

Die Protestierenden beklagen den fehlenden Kontakt. Auch in Deutschland sehen wir ähnliche Dynamiken, wie eine aktuelle Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung belegt, in der 86 Prozent der Studierenden angab, dass der fehlende Kontakt zu anderen Studierenden ihre Studiensituation verschlechterte. Doch bisher hat sich hier noch kein nennenswerter Protest zur Öffnung der Unis geäußert. Der Grund dafür zeigt sich, neben einer möglicherweise stärkeren Grundbereitschaft für Proteste in Frankreich, in den Forderungen der Protestierenden. Denn sie leugnen nicht die Pandemie, sondern prangern die ungleiche Behandlung im Bildungsbereich an. Corona zeigt, dass eine einheitliche Regelung für ähnliche Lebensbereiche unerlässlich für den sozialen Zusammenhalt und die Annahme von pandemiebedingten Einschränkungen ist.

Aber auch die derzeitigen Studierendenproteste in Griechenland zeigen, dass die Forderung nach Präsenzunterricht häufig eine Begleiterscheinung eines gesonderten Protestgrundes ist. Denn dort geht es primär um einen Gesetzesentwurf, durch den bis zu 1.000 speziell ausgebildete Polizist:innen, bewaffnet mit Schusswaffen, Schlagstöcken und Tränengas künftig an den Hochschulen patrouillieren sollen. In einem Moment, in dem der gesellschaftliche Zusammenhalt und das Ziehen an einem gemeinsamen Strang wichtig wie fast noch nie ist, wird Studierenden das Leben zusätzlich erschwert. Dass die Bereitschaft, die gesellschaftliche Sicherheit zu schützen, sinkt, wenn das eigene Leben unsicher gemacht wird, ist nicht verwunderlich, auch wenn die konkrete Forderung nach mehr Präsenz im Moment nicht tragbar ist.

:Stefan Moll

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